Angela Merkel - Ein Irrtum
hätten einen Mangel, den man kompensieren müsse. Im Gegenteil: Frau hantierte überaus kreativ mit enormen Dunkelziffern, die es zuließen, auch Minderheitsprobleme zu gesellschaftlich wichtigen Anliegen umzudeuten. Auf dem Höhepunkt der Bewegung kursierten Phantasiezahlen, denen zufolge mindestens jede zweite Frau ein Missbrauchsopfer war.
Der eigenen Klientel gesellschaftliche Relevanz zu verleihen ist noch heute der große Ehrgeiz moderner Sozialdienstleister. Der Betroffenheitsdiskurs »Das geht alle an« erleichtert das Geschäft.
Wie belebend die Entdeckung von Problemgruppen sein kann, zeigt Ursula von der Leyens »Bildungspaket« von zusätzlichen 40 Millionen Euro, das allen Kindern »faire Chancen« geben soll. Für den guten Zweck fallen 1300 neue Verwaltungsstellen in den Arbeitsagenturen an, nicht mitgerechnet die Folgekosten für Nachhilfelehrer oder Bildungskoordinatoren.
Man muss nicht den pittoresken Fall jenes Sozialarbeiters nehmen, Chef der »Treberhilfe Berlin«, der einen Maserati
als Dienstwagen beanspruchte, um Beispiele für die Absurdität des Systems zu finden.
Von den 49 Milliarden Euro, die Bund und Kommunen 2010 für Hartz-IV-Empfänger ausgegeben haben, kommen nur 24 Milliarden direkt bei den Betroffenen an. Der Rest geht an Rechtsanwälte und Arbeitsvermittler, Fortbildungseinrichtungen und allerlei Wohlfahrtsprojekte und befeuert eine florierende Armutsindustrie. Geschätzter Umsatz: 25 Milliarden Euro. 11
Rechtsanwälte haben in Hartz-IV-Empfängern eine lukrative und risikofreudige Klientel gefunden, die keinen Aufwand anderer scheut, um ihre Interessen durchzufechten. Für Prozesskosten müssen sie ja nicht aufkommen. Deshalb wird schon mal hoch bis zum Verfassungsgericht geklagt, das daraufhin den Bundestag zur Nachbesserung lückenhafter Gesetze aufrufen muss. Mit dem neuen Bildungspaket wird die Prozessflut 2011 wohl rasant ansteigen, da jeder Einzelfall der 2,3 Millionen betroffenen Kinder geprüft werden muss.
Dass immer mehr vom Parlament verabschiedete Gesetze vor dem Bundesverfassungsgericht landen, das doch eigentlich die erheblich schwächere demokratische Legitimation besitzt, spricht nicht für die Qualität seiner Arbeit. Und dass seit Jahren die Einkommensteuerbescheide der Finanzämter nur vorläufig ergehen, ist auch kein Ruhmesblatt. Funktionierende Institutionen sehen anders aus. Selbst die Urheber und ihre ausführenden Organe scheinen nicht mehr zu verstehen, was sie tun.
Wenden wir uns also lieber den erfreulichen Seiten der
sozialen Wärme zu, insofern sie nämlich Kreativität erzeugt. Besonders schöne Blüten treibt die Armenspeisung, jene »Tafeln«, deren Zunahme gute Seelen als Zeichen dafür verbuchen, dass die Armut in diesem Lande zunimmt. Im Gegenteil: Die Zahl der Cleveren nimmt zu.
Die Idee der »Tafel« ist genial. Man nimmt Supermärkten täglich jene Lebensmittel ab, die nicht mehr verkauft werden können, und verteilt sie an »Bedürftige«. Das macht ein gutes Gewissen und erspart den Lebensmittelhändlern Entsorgungsgebühren in Millionenhöhe. Und wenn die schlau sind, lassen sie sich für die sozial entsorgten Waren auch noch eine Spendenquittung ausstellen, selbstverständlich über den Verkaufswert frischer Waren, das spart Steuern.
Obzwar die meisten Bildungsangebote bei den Hartz-IV-Beziehern mangels Interesse nicht ankommen und die wenigsten durch allerhand »Maßnahmen« wieder einen Job bekommen, wirkt das System als segensreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für all die anderen, die Chancen erkennen und ergreifen. Kreativität wird also doch belohnt! Auf Kosten der Steuerzahler, aber wer wird da kleinlich sein?
Wahrlich, wir leben im Land der Wunder. Wie in der DDR, wo alle beschäftigt waren, aber niemand eine Arbeit hatte. Und deshalb muss alles so weitergehen, wie es ist.
Das wird sich auch Angie gedacht haben, als sie sich anschickte, Tina zu werden. Der Sozialstaat? Alternativlos.
Irrtum 2: Die Rentengarantie
Das deutsche Rentenmodell hat seine Meriten. Zum sozialen Frieden der Nachkriegszeit hat wesentlich beigetragen, dass man mit der Rentenreform 1957 die Renten an die Lohnentwicklung gekoppelt hat und sie nicht aus angesparten Beträgen bezahlt, sondern aus den laufenden Beitragszahlungen bestritten wurden. So hatten auch die Rentner unmittelbar Anteil am Wirtschaftswunder: Mit höheren Löhnen stiegen die Renten.
Umgekehrt müsste das natürlich auch gelten: Sinken die Löhne, sinken auch die Renten. Doch
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