Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Angela Merkel - Ein Irrtum

Angela Merkel - Ein Irrtum

Titel: Angela Merkel - Ein Irrtum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cora Stephan
Vom Netzwerk:
Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihren Folgen wachzuhalten«. Im Stiftungsrat waren daher auch polnische, ungarische und tschechische Historiker vertreten, sozusagen als Berstschutz gegen die vermutete deutsche Neigung,
die eigenen Opfer gegen die der anderen »aufrechnen« zu wollen.
    Das konnte nicht gut gehen, und es ging auch nicht gut. Einer der aus dem Stiftungsrat ausgeschiedenen polnischen Historiker hat auf den Punkt gebracht, warum das Stiftungskonzept unsinnig war. In diesem Projekt gehe es offenbar um »die Versöhnung der Deutschen mit sich selbst«, erklärte Tomasz Szarota. »Und da kann ich als Pole nicht helfen.«
    Recht hat er. Man hätte es ihm gar nicht erst zumuten sollen. Die Beschäftigung mit Flucht und Vertreibung Deutscher ist ein deutsches Anliegen. Warum man die Deutschen damit nicht alleinlassen kann, warum daraus Revanchismus folgen soll, Relativierung, Verdrängen, Vergessen, wie vor allem Deutsche vermuten, ist nicht recht einzusehen. Denn wir können uns in Deutschland auf eines immer verlassen: Wir sind noch stets unsere schärfsten Richter.
    Muss man denn aber hinnehmen, dass die auch bei uns ungeliebte Erika Steinbach kaltgestellt wird und das schwierige Projekt vor sich hinsiecht, weil das der »Versöhnung« mit Polen dient? Mir scheint das eine Schutzbehauptung zu sein. Ganz klar: Auf die polnischen Nachbarn muss es den Deutschen mit Verstand und Gefühl ankommen. Was sich bereits jetzt zwischen Deutschen und Polen bewegt, »unten«, dort, wo sie sich als Nachbarn begegnen, dürfte für Europa beispielhaft werden. Wer sich auch nur wenige Tage in einer Stadt wie Breslau aufhält – in Schlesien,
einem der »wiedergewonnenen Gebiete« also, wie es die kommunistische Sprachregelung wollte –, spürt etwas Neues heranwachsen. Die Polen sind sich der deutschen Geschichte und Kultur solcher Orte bewusster als die Deutschen selbst, die sich erfolgreich um Vergessen bemüht haben.
    Ich glaube, dass der Konflikt um das »Zentrum gegen Vertreibungen« nicht vor allem der Rücksicht auf polnische Interessen geschuldet ist, sondern deutsche Ambivalenzen ausdrückt. Mit der klaren Unterscheidung zwischen Gut und Böse lässt sich leichter leben als mit einem Schattenreich, in dem gleich gar nichts leuchtet.
    Keine historische Wahrheit kann Schuld und Verbrechen relativieren. Deshalb muss man sie auch nicht verschweigen. Was nicht heißt, dass dieses Schweigen in der Vergangenheit nicht seine guten Gründe hatte. Dass die Deutschen ihre Schuld nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich ohne Abstriche angenommen haben, ist und war ein wichtiger friedensstiftender Faktor – auch für den inneren Frieden der ehemaligen Opfer und Kriegsgegner.
    Denn solange Deutschland das absolut Böse verkörperte, konnte man Selbstbefassung und Selbsterkenntnis aufschieben und die Wunden heilen, die nicht nur die deutschen Besatzer, sondern auch die Kollaborateure und Antisemiten in den besetzten und bekämpften Ländern hinterlassen haben. Ebenso wie die gnadenlosen Rächer danach, die oft dieselben waren. Die klare Unterscheidung zwischen Täter und Opfer, ohne die Schatten der Differenzierung, ersparte den Bürgerkrieg nach dem Krieg.

    Doch in der Sowjetunion und im sogenannten »Ostblock« war die klare Unterscheidung von Tätern und Opfern auch strategisch wichtig. Dass sie auf der richtigen Seite gewesen seien und einen guten Krieg ausgefochten hätten, sollte die eingemeindeten Völker für die Tatsache entschädigen, dass sie von der einen Unfreiheit in die nächste geraten waren. Dieser schwache Trost hat sich mit dem Ende des Kalten Kriegs erledigt.
    Die Deutschen haben ihre Geschichte aufgearbeitet und stehen zu ihrer Schuld. Andere können das ebenso, weshalb wir es ihnen auch nicht ersparen müssen. Längst gibt es eine wache und selbstkritische polnische Öffentlichkeit, die, bei aller Empathie für das Schicksal des eigenen Landes, den Satz »Vertreibung ist immer Unrecht« unterschreiben würde, den Guido Westerwelle formulierte, als er noch nicht Außenminister war. Dort braucht man womöglich gar kein Versöhnungsangebot, das mit der Brüskierung eines der Versöhnungspartner beginnt.
    Auch in Polen ist man vielerorts längst weiter, als seine politische Elite erkennen lässt. Und deshalb ist es nicht nur Rücksicht, sondern ebenso Anmaßung, das Land,

Weitere Kostenlose Bücher