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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
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sind mindestens zwei Leute. Das Ohr an die Tür gepresst, warten wir zusammengekauert im Dunkeln und hoffen, dass es noch eine andere Tür gibt, durch die diese Leute den Raum verlassen werden.
    Schließlich verstummt das Gemurmel. Nachdem ich einige Herzschläge lang in die Stille gelauscht habe, öffne ich die Tür einen Spaltbreit und ducke mich in der Erwartung eines quietschenden Geräuschs. Doch die Tür geht geräuschlos auf.
    Es ist ein Raum ganz aus Beton und von der Größe einer Lagerhalle. Das Erste, was ich bemerke, sind reihenweise Glassäulen, von denen jede breit genug ist, um einen erwachsenen Mann in sich zu tragen.
    Nur, dass die Gestalten in den Röhren eher wie seltsame Engelsskorpione aussehen.

36
    Mit ihren auf dem Rücken gefalteten, hauchdünnen Libellenflügeln mögen sie ein bisschen wie Engel aussehen, doch das sind sie nicht. Zumindest sind sie nicht wie die Engel, denen ich bislang begegnet bin. Oder jemals begegnen will.
    Sie haben etwas Seltsames an sich. Sie schweben in Säulen, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt sind, und ich habe das Gefühl, in die körperlose Gebärmutter eines Tieres zu blicken, das gar nicht existieren sollte.
    Einige von ihnen haben die Größe von hochgewachsenen, muskulösen Männern, nur dass sie sich in die Embryohaltung eingerollt haben. Andere sind kleiner und wirken, als würden sie ums Überleben kämpfen. Ein paar sehen aus, als würden sie am Daumen lutschen. Die Menschlichkeit dieser Geste empfinde ich als besonders verstörend.
    Von vorne erscheinen sie wie Menschen, von hinten und von den Seiten jedoch komplett fremdartig. Dicke Skorpionschwänze wachsen ihnen aus dem Steißbein und krin geln sich über ihren Köpfen. Sie enden in einem nadelähnlichen Stachel, bereit, zuzustechen. Wie ein Echo weckt der Anblick Erinnerungen an meinen Albtraum. Ich schaudere.
    Die meisten Flügel sind angelegt, einige teils aufgefächert. Sie schmiegen sich an die Windungen der Säulen und zittern leicht, als würden ihre Besitzer vom Fliegen träumen. Sie sind ein angenehmerer Anblick als diejenigen, bei denen die Schwänze zittern, als würden die Kreaturen vom Töten träumen.
    Ihre Augen sind geschlossen, die Augenlider wirken unterentwickelt. Sie haben keine Haare auf dem Kopf, und ihre transparente Haut gibt den Blick auf ein ganzes Netzwerk aus Adern und darunterliegenden Muskeln frei. Was auch immer das für Geschöpfe sind, sie sind noch nicht voll entwickelt.
    Ich schirme meine Mutter von diesem Anblick ab, so gut ich kann. Sie wird ausflippen, wenn sie irgendetwas davon zu Gesicht bekommt. Und ausnahmsweise wäre ihre Reaktion da mal die gesündere.
    Ich gebe ihr ein Handzeichen, zu bleiben, wo sie ist, und auf mich zu warten. Ich lege so viel Intensität in meinen Ausdruck, dass sie weiß, ich meine es ernst. Doch ich habe keine Ahnung, ob es etwas nützt. Ich kann nur hoffen, dass sie wirklich stehen bleibt. Das Letzte, was ich jetzt noch brauche, ist einer ihrer Ausraster. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal für ihre Paranoia dankbar sein würde, aber so ist es. Es besteht durchaus die Chance, dass sie im Dunkeln auf mich wartet, wie ein Kaninchen in einem Loch. Und wenn irgendwas passiert, hat sie zumindest noch ihren Viehtreiber.
    Beim Gedanken an das, was ich im Begriff bin zu tun, zieht sich mein Magen in eisiger Furcht zusammen. Aber wenn Paige hier drin ist, kann ich sie nicht allein lassen.
    Ich zwinge mich, den höhlenartigen Raum zu betreten.
    Drinnen fühlt sich die Luft kalt und steril an. Der Geruch von Formaldehyd dringt mir in die Nase, den ich mit längst verstorbenen Geschöpfen assoziiere, die in Gläsern gefangen auf Regalen stehen. Vorsichtig trete ich zwischen die Glassäulen, um zum Rest des Raums vorzudringen.
    Als ich an den Säulen vorbeigehe, sehe ich etwas am Grund der Behälter, das wie ein Haufen unförmiger Stoff und Seetang aussieht. Ein unheimliches Gefühl kriecht mir den Rücken hinauf. Schnell wende ich den Blick ab, ich will gar nicht genauer hinsehen.
    Doch noch während ich wegschaue, erblicke ich etwas, das mein unheimliches Gefühl in blanken Horror verwandelt.
    In einem der Behälter hält eine der Bestien eine Frau wie eine Geliebte in den Armen. Sein Schwanz beschreibt einen Bogen über ihrem Kopf, und der Stachel bohrt sich in ihren Nacken.
    Ein Träger ihres Partykleids ist von ihrer schmerzlich dünnen Schulter gerutscht. Der Mund des Skorpionengels ist in ihrem Hals vergraben. Die Haut über

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