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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
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Laborkittel, den er sich über die Flügel drapiert hat.
    Der Mensch steht hinter einem enormen Stahlschrank, den er auf einem Plattformwagen transportiert. Der Schrank besteht aus drei übereinander gelagerten Schubladen, jede von ihnen breit genug, um eine Person darin unterzubringen. Ich will gar nicht darüber nachdenken, was darin aufbewahrt werden soll.
    »Sie haben sich die schlechteste Nacht ausgesucht, um das hier zu liefern.« Der Engel deutet vage auf die gegenüberliegende Wand. »Stapeln Sie sie hier drüben übereinander. Sie müssen gesichert werden, damit sie auf keinen Fall umkippen. Die Leichen sind hier.« Er deutet auf die angrenzende Wand. »Dank Ihrer Trödelei musste ich sie auf dem Boden aufschichten. Wenn Sie mit dem Aufstellen fertig sind, können Sie die Leichen in den Schubladen verstauen.«
    Der Bedienstete sieht entsetzt aus, doch dem Engel scheint das nicht aufzufallen. Der Mann geht mit der Lieferung zur gegenüberliegenden Wand, der Engel in die andere Richtung.
    »Die interessanteste Nacht seit Jahrhunderten, und dieser Trottel muss ausgerechnet heute Möbel liefern«, murmelt der Laborengel vor sich hin, während er sich der Wand zu meiner Linken nähert.
    Ich bleibe in meinem Versteck und beobachtete, wie er durch zwei Schwingtüren verschwindet.
    Ich schleiche mich ein paar Zentimeter vor, um zu sehen, ob sich sonst noch jemand in dem Raum befindet. Doch außer dem Mann, der seine Leichenschubladen ablädt, ist niemand da. Ich frage mich, ob ich mich ihm zeigen und ihn um Hilfe bitten sollte. Es könnte mir eine Menge Zeit und Ärger ersparen, wenn ich einen Eingeweihten dazu bringen könnte, mir beizustehen.
    Andererseits könnte er auf Pluspunkte hoffen, wenn er einen Eindringling anschwärzt. Erstarrt in meiner eigenen Unentschlossenheit sehe ich ihm dabei zu, wie er den leeren Wagen durch die gegenüberliegende Flügeltür rollt.
    Nachdem er gegangen ist, gluckert der leere Raum vom Geräusch der aufsteigenden Luftblasen in den Behältern. Wieder schreit mein Verstand: Beeil dich, beeil dich, beeil dich . Ich muss Paige finden, bevor der Widerstand angreift.
    Doch ich kann diese Leute nicht einfach den Monstern überlassen, die sie aussaugen.
    Ich schleiche durch das Raster tödlicher Säulen, um et was zu finden, womit ich die Opfer da rausholen kann. Am anderen Ende sehe ich eine blaue Leiter. Perfekt. Ich kann die Deckel der Behälter öffnen und versuchen, die Opfer herauszuziehen.
    Um die Hände frei zu haben, stecke ich mein Schwert zurück in die Scheide. Als ich zur Leiter sprinte, erscheint zu meiner Rechten ein rasch größer werdendes Farbenmeer. Die Flüssigkeit in den Säulen verzerrt das Bild und vermittelt den Eindruck eines Fleischklumpens, drumherum getupft Tausende Hände und Füße und extrem ver formte Gesichter.
    Vorsichtig rücke ich weiter vor. Eine optische Täuschung lässt die tanzenden Verzerrungen wie Hunderte von Augen aussehen, die mir folgen.
    Ich trete aus der Säulenmatrix heraus, um zu sehen, was sich wirklich dahinter verbirgt.
    Meine Brust verengt sich. Ein paar Herzschläge lang atme ich nicht mehr. Meine Füße scheinen am Boden festzukleben, und ich stehe einfach nur da, hier, im Ungeschützten, und starre.

37
    Zunächst weigert sich mein Hirn, zu glauben, was meine Augen sehen. Es versucht, die Szene vor mir als eine Wand voller ausrangierter Puppen zu interpretieren. Nichts als Stoff und Plastik, hergestellt von einem Spielzeugmacher mit ernsten Aggressionsproblemen.
    Das da an der Wand sind stapelweise Kinder.
    Einige lehnen steif an der Wand oder sind bis zu einem halben Dutzend übereinandergestapelt. Ein paar von ihnen sitzen aufrecht an der Wand, ein paar sind an die Beine anderer Kinder gelehnt. Andere liegen auf dem Rücken oder auf dem Bauch, wie Holzscheite aufeinandergeschichtet.
    Ihr Alter erstreckt sich von kleineren Kindern bis zu ungefähr Zehn- oder Zwölfjährigen. Sie sind nackt, allem beraubt, was sie vielleicht schützen könnte. Jedes von ihnen hat eine unverkennbare Operationsnaht in Form eines Ypsilons am Körper, die sich von der kleinen Brust bis zur Leiste zieht.
    Die meisten haben noch zusätzliche Nähte an Armen, Beinen und Hälsen, einige auch auf ihren Gesichtern. Ein paar von ihnen haben die Augen offen, andere geschlossen. Bei einigen ist die Iris von Gelb oder Rot umgeben statt von Weiß. Andere haben nur klaffende Löcher, wo eigentlich Augen sein sollten. Wieder anderen wurden die Augen mit großen,

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