Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
nicht alle tragen eine Uniform. Einige von ihnen sehen aus, als würden sie nicht hierher gehören. Sie drücken sich im Schatten herum, wirken schmutzig und verängstigt.
Ich habe Glück. Einer der Typen treibt die Hunde in einen Zwinger. Ein paar der Tiere bellen, wenn mich also einer anbellt, sollte das nicht weiter auffallen.
Verstohlen blicke ich mich um, um sicherzugehen, dass mich keiner gesehen hat. Meinen Rucksack verstecke ich in einer Baumhöhle. Kurz ziehe ich in Erwägung, das Schwert zu behalten, entscheide mich dann aber dagegen. Nur Engel tragen Schwerter mit sich herum, und ich muss diese Leute nicht noch misstrauischer machen. Ich lege die in die Decke eingewickelten Flügel neben den Rucksack und merke mir, wo genau sich der Baum befindet.
Ich entdecke einen Platz, von wo aus ich das Camp gut überblicken und wo ich mich flach auf ein Stückchen Boden legen kann, das mit genügend Blättern bedeckt ist, um mich vor dem Matsch zu schützen. Trotzdem dringen Kälte und Nässe durch mein Sweatshirt. Zusätzlich werfe ich noch ein paar Blätter und Nadeln über mich. Ich wünschte, ich hätte auch so einen Tarnanzug. Aber zum Glück verschmilzt die Farbe meines dunklen Haars hervorragend mit der Umgebung.
In der Mitte des Camps wird Raffe in die Knie gezwungen.
Ich bin zu weit weg, um den genauen Wortlaut zu hören, aber ich kriege mit, dass sie darüber debattieren, was sie mit ihm machen sollen. Einer von ihnen beugt sich über Raffe und spricht mit ihm.
Bitte, bitte, lass ihn nicht das Hemd ausziehen.
Panisch denke ich darüber nach, wie ich ihn retten und dabei trotzdem noch am Leben bleiben könnte, aber an einem Ort, wo es vor schießwütigen Kerlen in Uniform nur so wimmelt, kann ich nicht viel tun. Wenn sie nicht durch einen Engelangriff abgelenkt werden, kann ich ledig lich hoffen, dass Raffe bei Einbruch der Dunkelheit noch lebt und irgendwie für mich erreichbar ist.
Was auch immer er ihnen erzählt, scheint sie fürs Erste zufriedenzustellen, denn sie hieven ihn wieder auf die Beine und bringen ihn in das mittig gelegene Gebäude, das kleinste von allen. Die Gebäude hier sehen nicht wie Häuser aus, sondern eher wie ein Lager. Zu beiden Seiten des Hauses, in das die Männer Raffe führen, steht jeweils ein weiteres Gebäude, groß genug, um mindestens dreißig Personen darin unterzubringen. Das in der Mitte sieht aus, als könnte es ungefähr die Hälfte beherbergen. Ich schätze, eines davon ist zum Schlafen, eines für den gemeinschaftlichen Gebrauch und eins dient vielleicht als Speicher.
Ich liege da, versuche die nasse Kälte zu ignorieren, die aus dem Boden aufsteigt, und wünsche mir, die Sonne würde schneller untergehen. Vielleicht haben diese Typen ja genauso viel Angst vor der Dunkelheit wie die Straßengangs in meiner Nachbarschaft. Vielleicht gehen sie zu Bett, sobald die Sonne untergeht.
Nach einer Weile, die mir ausgesprochen lang vorkommt – aber wahrscheinlich waren es gerade mal zwanzig Minuten – läuft ein junger Mann in Uniform nur ein paar Meter an mir vorbei. Er hält ein Gewehr im 45-Grad-Winkel über seine Brust. Forschend suchen seine Blicke den Wald ab. Er sieht aus, als sei er bereit zum Gefecht. Ich bleibe reglos liegen und sehe zu, wie der Soldat vorübergeht. Überrascht und unendlich erleichtert stelle ich fest, dass er keinen Hund dabeihat. Ich frage mich, warum sie die Tiere nicht zur Bewachung des Geländes einsetzen.
Danach kommt alle paar Minuten ein Soldat vorbei, sie sind mir gefährlich nah. Sie patrouillieren so regelmäßig, dass ich mich nach einiger Zeit in den Rhythmus einfinde und weiß, wann ich sie zu erwarten habe.
Ungefähr eine Stunde, nachdem sie Raffe in das zentral gelegene Gebäude geführt haben, beginnt es nach Fleisch, Zwiebeln, Knoblauch und Grünzeug zu riechen. Bei dem köstlichen Geruch zieht sich mein Magen derart heftig zusammen, dass es sich anfühlt, als hätte ich Krämpfe.
Ich bete darum, dass es nicht Raffe ist, den ich da rieche.
Nacheinander betreten die Leute das Gebäude auf der rechten Seite. Da ich keine Ansage höre, muss es eine feste Abendessenszeit geben. Hier halten sich sehr viel mehr Menschen auf, als ich ursprünglich dachte. Soldaten – die meisten von ihnen Männer in Uniform – trotten in Zweier-, Dreier- oder Fünfergruppen aus dem Wald heraus. Sie kommen aus allen Richtungen. Zwei von ihnen treten auf dem Weg zum Abendessen fast auf mich drauf.
Als die Nacht anbricht und die Leute in
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