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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
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schließlich.
    »Ja, das war ziemlich seltsam, nicht wahr?«
    »Ziemlich seltsam? Das war total Bizzarroville!«
    Er hält inne und wirft einen Blick zu mir nach hinten. »Welche Sprache soll das sein?«
    Ich öffne den Mund, um etwas Schlaues zu erwidern, doch er unterbricht mich.
    »Lass uns still sein, okay? Vielleicht gibt es noch mehr von ihnen.« Das bringt mich zum Schweigen.
    Müdigkeit überkommt mich, wahrscheinlich eine Art post-traumatisches Irgendwas. Ich glaube, im Dunkeln Gesellschaft zu haben, ist das Beste, was ich mir für heute Nacht erhoffen kann, selbst wenn die Gesellschaft ein Engel ist. Abgesehen davon muss ich mir zum ersten Mal, seit ich diese Albtraumtour durch die Wälder angetreten habe, keine Sorgen darüber machen, ob ich in die richtige Richtung gehe. Raffe läuft zielbewusst geradeaus. Er zögert nie, korrigiert nur ab und zu fast unmerklich unsere Route, um einem Graben oder einer Wiese auszuweichen.
    Ich hinterfrage nicht, ob er wirklich weiß, wohin er geht. Die Illusion, dass er es tut, ist mir Trost genug. Vielleicht haben Engel einen speziellen Orientierungssinn, so wie Vögel. Wissen Letztere nicht immer genau, in welche Richtung sie ziehen müssen und wie sie wieder zu ihrem Nest zurückfinden, obwohl sie es gar nicht sehen können? Oder vielleicht denke ich mir vor lauter Verzweiflung auch nur Geschichten aus, um mich besser zu fühlen. So wie man manchmal auch pfeift, um die eigene Angst niederzukämpfen.
    Ich verliere rasch jede Orientierung und fühle mich außerdem so erschöpft, dass ich kurz davor bin, wirres Zeug zu reden. Nachdem wir stundenlang im Dunkeln durch die Wälder gestapft sind, beginne ich mich zu fragen, ob Raffe vielleicht ein gefallener Engel ist und mich direkt in die Hölle führt. Wenn wir endlich bei dem Horst ankommen, stelle ich vielleicht fest, dass der sich in Wirklichkeit im Untergrund befindet, in einer feurigen, schwefligen Höhle, wo Menschen aufgespießt und geröstet werden. Das würde zumindest einiges erklären.
    Als er mich schließlich in ein in den Wald eingebettetes Haus führt, kriege ich das kaum noch mit. An diesem Punkt fühle ich mich fast schon wie ein Zombie. Wir knirschen über zerbrochenes Glas. Irgendein Tier huscht davon und verschwindet in den Schatten. Er findet ein Schlafzimmer, zieht mir den Rucksack vom Rücken und schiebt mich sanft Richtung Bett.
    In dem Moment, in dem mein Kopf das Kissen berührt, verschwimmt die Welt um mich herum.
    Ich träume, dass ich wieder neben den Waschzubern kämpfe. Wir triefen nur so vor Seife. Mein Haar ist tropfnass und meine Kleidung klebt an mir, wie nasse T-Shirts es eben tun. Anita zieht mich an den Haaren und kreischt.
    Die Menge ist zu nah, lässt uns kaum Raum für unseren Kampf. Ihre Gesichter sind verzerrt, man sieht viel zu viel Zähne und Weiß in ihren Augen. Sie schreien Dinge wie: »Reiß ihr das Shirt weg!« oder »Reiß ihr den BH runter!« Ein Typ schreit wie wild: »Küss sie! Küss sie!«
    Wir rollen in einen Wäschebottich, der krachend umfällt. Statt schmutzigem Waschwasser spritzt schäumendes Blut in alle Richtungen. Warm und purpurfarben tränkt es mich. Alle halten inne und starren auf das Blut, das aus dem Bottich herausströmt. Unglaubliche Mengen, ein endloser Fluss.
    Wäsche wird an uns vorbeigeschwemmt. Blutdurchtränkte Hemden und Hosen, verknittert, verloren und seelenlos ohne ihre Besitzer.
    Skorpione in der Größe von Kanalratten gleiten auf den Inseln purpurner Kleidung an uns vorbei. An den Spitzen ihrer gigantischen Stacheln hängen Blutstropfen. Als sie uns erblicken, rollen sie ihre Schwänze ein und breiten drohend die Flügel aus. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Skorpione eigentlich keine Flügel haben, aber ich habe keine Zeit darüber nachzudenken, denn irgendjemand schreit und deutet in den Himmel.
    Der Horizont verfinstert sich. Eine dunkle, brodelnde Wolke löscht die untergehende Sonne aus. Ein leises Summen wie der Flügelschlag von Millionen Insekten erfüllt die Luft.
    Wind kommt auf und steigert sich rasch zur Kraft eines Hurrikans. Die wirbelnde Wolke und ihr Schatten rasen auf uns zu. Leute rennen in Panik davon, ihre Gesichter wirken plötzlich verloren und unschuldig wie die von verängstigten Kindern.
    Die Skorpione schwingen sich in die Lüfte. Sie rotten sich zusammen und pflücken jemanden aus der Menge heraus. Jemand Kleines mit verkümmerten Beinen. »Penryn!«, schreit sie.
    »Paige!« Ich springe auf und renne hinter

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