Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

trete einen Schritt zurück, aber was auch immer es war, es ist längst weg.
    Auch die anderen Schatten bewegen sich. Einige schießen vor und zurück und sehen aus, als würden sie gleich den Siedepunkt erreichen. Bevor ich wahrnehmen kann, dass wieder ein Schatten hervorgeschossen kommt, stößt etwas gegen meinen anderen Arm.
    Ich taumle zurück.
    Unser Nachbar Justin hatte früher einen Satz nadelartige Piranha-Zähne auf seinem Kaminsims. Er hat uns erzählt, dass die fleischfressenden und manchmal auch kannibalischen Fische normalerweise eher scheu sind und ihre Beute erst rammen, bevor sie zum Angriff übergehen und dabei mehr und mehr Selbstvertrauen gewinnen, während die anderen Fische ihres Schwarms es ihnen nachmachen. Was hier vor sich geht, gleicht dieser Schilderung in geradezu gespenstischer Weise.
    Der knurrende Chor schwillt an. Es klingt wie eine Mischung aus tierischem Knurren und verstörend menschlichem Ächzen.
    Noch ein Stoß. Diesmal schießt ein stechender Schmerz von meiner Hüfte nach oben, als wäre ich mit Rasierklingen aufgeschlitzt worden. Ich schaudere, als sich eine warme Lache um den Schmerz ausbreitet.
    Ich werde noch zweimal kurz hintereinander gerammt. Versetzt das Blut sie in Ektase?
    Und wieder stößt ein Schatten gegen mein Handgelenk. Als ich den Hieb spüre, schreie ich auf.
    Diesmal ist es kein hastiges Ritzen. Es fühlt sich langsamer, verweilender an, sofern ein hin und her zuckender Schatten überhaupt verweilen kann. Das Brennen beginnt ungefähr eine Sekunde nachdem ich gemerkt habe, dass ich … gebissen wurde? Ich bin sicher, ich hätte weniger Angst, wenn ich wenigstens erkennen könnte, wie sie aussehen. Es hat etwas besonders Erschreckendes, nicht sehen zu können, wer einen angreift.
    Ich keuche jetzt derart laut, dass ich genauso gut schreien könnte.

23
    Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr. Ich komme nicht mehr dazu, mich gegen einen neuerlichen Hieb zu wappnen, als Raffe auch schon vor mir steht. Seine Muskeln sind gespannt, während er den hitzig brodelnden Schatten mit hoch erhobenem Schwert entgegentritt. Ich habe noch nicht mal die Blätter rascheln gehört. In der einen Sekunde ist er weg, in der nächsten plötzlich wieder da.
    »Lauf, Penryn.«
    Ich brauche keine weitere Einladung. Ich renne.
    Doch ich komme nicht sehr weit, was vermutlich kein kluger Schachzug ist. Ich kann nicht anders. Zögernd bleibe ich hinter einem Baum stehen, um Raffe dabei zu beobachten, wie er gegen die Dämonen kämpft.
    Jetzt, da ich weiß, wonach ich Ausschau halten muss, sehe ich, dass es sich ungefähr um ein halbes Dutzend dieser Wesen handelt. Sie bewegen sich definitiv auf zwei Beinen. Und sie haben nicht alle dieselbe Größe. Einer ist mindestens dreißig Zentimeter größer als der kleinste. Und ein anderer wirkt geradezu pummelig.
    Ihre kleinen Körper könnten entweder menschlich sein oder von Engeln abstammen, doch den Bewegungen nach zu urteilen, sind sie keins von beidem. Wenn sie voll aufdrehen, werden ihre Bewegungen fließend, als wäre das ihre normale Geschwindigkeit. Diese Geschöpfe sind definitiv keine Menschen. Vielleicht ist das irgendeine besonders fiese Engelsbrut. Werden Cherubim nicht immer als Kinder dargestellt?
    Raffe fängt einen von ihnen, als der versucht, auf ihn zuzustürmen. Auch zwei andere haben es auf ihn abgesehen, registrieren dann jedoch, wie Raffe den ersten kleinen Dämon aufschlitzt.
    Er kreischt irgendetwas Schreckliches, während er auf dem Waldboden wild um sich schlägt.
    Doch die anderen scheinen nicht eingeschüchtert, als sie auf Raffe zuschießen, um wieder in die routinierte Taktik des Zustoßens und Zurückweichens zu verfallen. Ich vermute, es wird nicht lange dauern, bis sie anfangen zu beißen oder zu stechen oder was immer es ist, was sie tun.
    »Raffe, hinter dir!«
    Ich schnappe mir den nächstbesten Stein und brauche nur einen Herzschlag lang, um zu zielen. Ich war bekannt dafür, beim Dartspielen immer genau ins Schwarze zu treffen, aber ich war auch bekannt dafür, das Dartbrett manchmal gar nicht zu treffen. Das Brett jetzt zu verfehlen, würde allerdings bedeuten, Raffe zu treffen.
    Ich halte den Atem an, ziele auf den Schatten, der mir am nächsten ist, und werfe den Stein mit so viel Kraft, wie ich nur aufbringen kann.
    Volltreffer!
    Der Stein kracht in den Schatten und erledigt ihn. Es ist fast schon lustig, wie der kleine Dämon beinahe einen Rückwärtssalto schlägt, als er fällt. Und