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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
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Raffe. »Lass uns gehen.«
    Wir entfernen uns von den angeknacksten Eiern und den Mädchen.
    Ich stütze mich auf seinen starken Körper, bis mir klar wird, was ich da tue. Abrupt ziehe ich mich zurück. Ich kann mir den Luxus nicht erlauben, mich auf irgendjeman den zu stützen, schon gar nicht auf einen Engel.
    Jetzt, da die Wärme weg ist, fühlt sich meine Schulter kalt und verwundbar an.
    Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange, um mich mit dem akuten Schmerz abzulenken.

25
    »Was, glaubst du, haben sie getan?«, frage ich.
    Raffe zuckt die Achseln.
    »Meinst du, sie haben die kleinen Dämonen gefüttert?«
    »Vielleicht.«
    »Aber warum sollten sie das tun?«
    »Ich habe es aufgegeben, mir auf Menschen einen Reim zu machen.«
    »Wir sind nicht alle so, weißt du?«, erwidere ich. Ich weiß nicht, warum ich das Bedürfnis habe, unser Verhalten vor einem Engel zu rechtfertigen.
    Er wirft mir nur einen wissenden Blick zu und läuft weiter.
    »Wenn du uns vor den Angriffen gesehen hättest, wüsstest du das«, sage ich stur.
    »Ich weiß«, entgegnet er, ohne mich anzusehen.
    »Woher denn?«
    »Ich habe ferngesehen.«
    Ich pruste los. Dann wird mir klar, dass das kein Witz war. »Im Ernst?«
    »Hat das nicht jeder gemacht?«
    Ich schätze, es hat in der Tat jeder ferngesehen. Die Ausstrahlung war gratis. Alles, was sie tun mussten, war, das Signal zu empfangen, dann wussten sie alles über uns. Das Fernsehen war zwar nicht gerade ein Manifest der Realität, aber es reflektierte unsere größten Hoffnungen und Ängste. Ich frage mich, was Engel von uns denken, sofern sie überhaupt über uns nachdenken.
    Überdies frage ich mich, was Raffe außer Fernsehen in seiner Freizeit macht. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie er sich nach einem harten Kriegstag auf die Couch setzt und sich Fernsehshows über Menschen ansieht, um ein bisschen runterzukommen. Wie ist sein häusliches Leben?
    »Bist du verheiratet?« Sofort bereue ich die Frage, denn sie beschwört das Bild von ihm und einem schmerzlich schönen Engelweib mit lauter kleinen Cherubim vor meinem geistigen Auge herauf, die auf einem Grundstück mit griechischen Säulen herumtollen.
    Er bleibt wie angewurzelt stehen und starrt mich an, als hätte ich etwas vollkommen Unpassendes gesagt.
    »Lass dich von meinem Aussehen nicht täuschen, Penryn. Ich bin kein Mensch. Und die Töchter der Menschen sind für Engel tabu. Kennst du dich denn nicht mit Religionsgeschichte aus?«
    Das meiste, was ich über Religion weiß, stammt von meiner Mutter. Ich denke an all die Male, die sie in fremden Zungen mitten in meinem Zimmer ekstatisch fantasiert hat. Sie ist so oft hereingekommen, während ich noch geschlafen habe, dass ich mir angewöhnt habe, mit dem Rücken zur Wand zu liegen, um sie gleich zu sehen, wenn sie den Raum betritt, ohne sie jedoch merken zu lassen, dass ich wach bin.
    Normalerweise hat sie sich auf den Boden neben mein Bett gesetzt und ihren Oberkörper in einem tranceartigen Zustand vor und zurück gewiegt. Dabei hat sie die Bibel fest umklammert gehalten und stundenlang in fremden Zungen gesprochen. Die unsinnigen, kehligen Laute klangen wie ein Wutgesang. Oder wie ein Fluch.
    Ziemlich gruselig, wenn man halb schlafend in einem dunklen Zimmer liegt. Das war’s dann aber auch schon mit meiner religiösen Erziehung.
    »Äh, nein«, antworte ich. »Ich kann nicht behaupten, viel über Religionsgeschichte zu wissen.«
    Er läuft weiter. »Eine Gruppe Engel, ›Kundschafter‹ ge nannt, wurde einst auf die Erde entsandt, um die Menschen zu beobachten. Im Laufe der Zeit wurden sie einsam und nahmen sich entgegen Gottes Gebot Menschenweiber zur Frau. Ihre Kinder nannte man Nephilim. Und sie waren abscheulich. Sie ernährten sich von Menschen, tranken ihr Blut und terrorisierten die Welt. Dafür wurden die Kundschafter bis zum jüngsten Tag zur Hölle verurteilt.«
    Er geht ein paar Schritte schweigend weiter, als würde er sich fragen, ob er mir noch mehr erzählen soll. Ich warte, in der Hoffnung, so viel wie möglich über die Welt der Engel zu erfahren, auch wenn es sich um Frühgeschichte handelt.
    Die Stille lastet auf uns. Hinter der Geschichte steckt mehr, als er preisgibt.
    »Also«, versuche ich ihn anzuspornen, »der langen Rede kurzer Sinn: Engel dürfen nicht mit Menschen zusammen sein, sonst werden sie verflucht.«
    »Ja. Heftig verflucht.«
    »Das ist hart.« Ich bin überrascht, dass ich Mitleid mit Engeln empfinde, auch wenn es welche aus

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