Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
hereingebrochen, und ihr Typen bestellt Essen beim Zimmerservice?«
»Willst du es jetzt oder nicht?«
Ich zucke die Achseln. »Na ja … ja.« Meine Doppelmoral ist mir nicht mal peinlich. Wer weiß, wann ich wieder eine Mahlzeit bekomme? »Was ist mit meiner Schwester?«
»Alles zu seiner Zeit.«
»Ich habe keine Zeit, und sie auch nicht.« Und du auch nicht . Wie viel Zeit bleibt uns, bevor die Freiheitskämpfer den Horst stürmen?
So sehr ich mir auch wünsche, dass der Widerstand die Engel so richtig erwischt, dreht sich mir bei der Vorstellung, Raffe könnte während des Angriffs gefangen genommen werden, der Magen um. Ich bin versucht, ihm von den Widerstandskämpfern zu erzählen, die ich hier gesehen habe, doch sobald mir der Gedanke kommt, ersticke ich ihn auch schon wieder. Ich bezweifle, dass er unbeteiligt danebenstehen würde, ohne Alarm zu schlagen. Er könnte es genauso wenig, wie ich es könnte, wenn die Engel das Widerstandscamp angreifen würden.
»Okay, Miss ›Ich-habe-keine-Zeit‹, wo möchtest du zuerst nachsehen? Sollen wir im achten Stockwerk anfangen oder doch lieber im einundzwanzigsten? Wie wär’s mit dem Dach oder der Garage? Oder vielleicht fragst du einfach den Angestellten an der Rezeption, wo sie die Kinder gefangen halten könnten. Hier im Viertel gibt es noch andere unversehrte Gebäude. Vielleicht sollten wir mit denen anfangen. Was meinst du?«
Mit Schrecken merke ich, wie sich meine Entschlossenheit in Tränen auflöst. Um zu verhindern, dass sie herauskullern, reiße ich die Augen auf. Vor Raffe werde ich nicht weinen.
Die Schärfe verschwindet aus seiner Stimme, und sie wird sanft: »Penryn, es wird eine Weile dauern, bis wir sie finden. Wenn wir gewaschen sind, fallen wir nicht auf, und wenn wir erst etwas gegessen haben, haben wir auch die Kraft, nach ihr zu suchen. Wenn dir das nicht passt – da ist die Tür. Ich werde jetzt duschen und etwas essen, während du dich auf die Suche machst.« Er geht zum Badezimmer.
Ich seufze. »Na gut.« Meine Absätze bohren sich in den Teppich, während ich an ihm vorbeihaste. »Ich dusche zuerst.« Ich habe gerade noch den Anstand, nicht die Tür hinter mir zuzuknallen.
Das Badezimmer ist ein dezentes Luxus-Statement aus Kalkstein und Messing. Ich schwöre, es ist größer als unsere alte Wohnung. Ich stehe unter dem heißen Sprühregen und sehe zu, wie das Wasser den Schmutz fortspült. Nie hätte ich gedacht, dass eine heiße Dusche und Haare waschen so ein Luxus sein können.
Während der langen Minuten unter der Regendusche kann ich fast vergessen, wie sehr sich die Welt verändert hat, und so tun, als hätte ich im Lotto gewonnen und würde nun die Nacht in einem Penthouse in der City verbringen. Doch der Gedanke tröstet mich nicht so sehr wie die Erinnerung an das Leben in unserem kleinen Vorstadthaus, damals, als wir noch nicht in die Wohnung umgezogen waren. Damals, als Dad sich noch um uns gekümmert und Paige ihre Fähigkeit zu laufen noch nicht eingebüßt hat.
Ich hülle mich in ein flauschiges Handtuch, das genauso gut als Decke durchgehen könnte. Aus Mangel an Alternativen schlüpfe ich wieder in das aufreizende Kleid und beschließe, die Strümpfe und Schuhe können in einer Ecke warten, bis ich sie wieder brauche.
Als ich aus dem Badezimmer trete, steht auf dem Tisch ein Tablett mit Essen. Ich laufe hin und hebe die Speiseglocke hoch: Vor mir liegt ein zartes Rindersteak mit Sauce, Cremespinat, Kartoffelpüree und ein riesiges Stück Schoko ladenkuchen. Bei dem Geruch schwinden mir fast die Sinne vor lauter Wonne.
Ich stürze mich auf das Essen und setze mich kauend hin. Himmlisch, dieser Fettgehalt. Früher hätte ich ver sucht, mich von all dem fernzuhalten, außer vielleicht von dem Schokokuchen. Aber im Land des Katzenfutters und der getrockneten Nudeln könnte ich für eine solche Mahlzeit sterben. Ich kann mich nicht erinnern, je etwas Besseres gegessen zu haben.
»Warte bitte nicht auf mich«, sagt Raffe, während er mir dabei zuschaut, wie ich mich vollstopfe. Auf dem Weg zum Badezimmer nimmt er einen Bissen von dem Kuchen.
»Keine Sorge«, sage ich mit vollem Mund zu seinem Rücken.
Als er wieder aus dem Badezimmer kommt, habe ich meine gesamte Portion runtergeschlungen, und es fällt mir schwer, nicht noch etwas von seinem Teller zu klauen. Ich reiße mich von dem Festmahl los und sehe ihn an.
Bei seinem Anblick vergesse ich das Essen, und zwar völlig. Noch leicht dampfend steht er in der
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