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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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»Was sagst du, Findling? Soll ich ihn aus dem Fenster werfen, sodass er in den Dornen und Disteln des Hirschgrabens landet? Oder soll ich ihn meinem Löwen zum Fraß vorwerfen?«
    »Exzellenz?«
    »Jakob, mein Kammerdiener. Ich habe ausdrücklich darauf bestanden, heute die Nerzrobe zu tragen.« Er zupft an seinem Ärmel herum, streift ihn gereizt ein Stückchen zurück und hält ihn mir unter die Nase. »Sieht das vielleicht nach Nerz aus?«
    Ich betrachte die Robe mit übertrieben starkem Interesse. »Es scheint mir … eine ausgezeichnete Robe zu sein, Eure Exzellenz«, sage ich vorsichtig.
    Rudolf betrachtet sie erneut. »Das will ich meinen«, erwidert er grübelnd. »Vielleicht war ich ein wenig zu grob. Aber nun, Findling, erzähl mir von deinen Träumen.«
    »Meine Träume, Exzellenz?« Während Rudolf seinen massigen Körper auf den dunklen Holzthron pflanzt, trete ich unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.
    »Deine Träume, deine Träume«, sagt er ungeduldig und macht eine Handbewegung, die mich antreiben soll. »Welche Visionen sind dir in der Nacht erschienen? Welche Vorahnungen? Welche Omen?«
    Mühsam versuche ich mich an die nächtlichen Horrorbilder zu erinnern, die meinen Schlaf in der Tat gestört haben. »Ich träumte von Prag, Eure Exzellenz …«, setze ich vorsichtig an.
    Rudolf unterbricht mich sofort. »Ja? Ja?«
    »Ich sah ein Prag, das viele Jahre in der Zukunft lag«, sage ich unsicher und weiß nicht genau, wo meine Worte eigentlich herkommen. »Jahrhunderte.«
    Rudolfs Gesicht erhellt sich wie das eines Kindes. »Und, war es wohlgelungen? Wurde der Name Rudolf mit Liebe und Respekt ausgesprochen? War ich den Menschen wie ein Gott vorgekommen?«
    Rudolfs Fragen verursachen mir Kopfschmerzen. »Ich … ich kann mich nicht erinnern, Eure Exzellenz«, antworte ich wenig überzeugend.
    Rudolf schnaubt und sieht mich verächtlich an. Ich suche nach etwas anderem, was ich ihm erzählen kann. »Ich hatte noch einen anderen Traum, Eure Exzellenz … von einem Ort aus Licht, einem glänzend schimmernden Ort … und ich erinnere mich, dass ich fiel … für lange Zeit, ja für eine Ewigkeit fiel und fiel …«
    Der Kaiser ist sichtlich unbeeindruckt. »Lappalien, Findling. Lappalien. Ich muss sagen, ich hatte mehr von dir erwartet.«
    Ich stehe mit einem unbehaglichen Gefühl vor ihm, die Stille zwischen uns ist fast zum Schneiden dick. Als ein forsches Klopfen an der Tür ertönt, schicke ich ein Dankgebet zum Himmel. Ein Wächter kündigt die Ankunft von Sir Anthony, Percy Tremayne und Kammerherr Philipp Lang an.
    »Nimm deine Position ein«, zischt Rudolf. Schnell lasse ich mich neben ihm auf dem Boden nieder. »Die andere Seite«, flüstert er verzweifelt. »Die linke!«
    »Aber Majestät, ich sitze auf der linken Seite«, protestiere ich.
    »Nicht deine linke Seite, Findling. Meine!«, faucht er. Kurz bevor Lang Sir Anthony und Percy hereinführt, gelingt es mir, mich schnell auf die andere Seite zu begeben. Percy zieht angesichts meiner Hampelei eine Augenbraue hoch. Schließlich setze ich mich bequem hin und bürste den Staub des Fußbodens von meinen Knien.
    Sir Anthony verbeugt sich vor Rudolf. »Eure Exzellenz«, sagt er, »ich hoffe, die Geschenke, die Euch im Namen von Schah Abbas überbracht wurden, haben Eure Zustimmung gefunden?«
    »Nun, ich habe meinen Wissenschaftlern in der Goldenen Gasse schmerzhafte Folter angedroht, falls sie Euren fliegenden Teppich nicht zum Leben erwecken sollten. Eine Folter übrigens, die ich mir selbst ausgedacht habe«, erwidert Rudolf gelangweilt. »Und das Mädchen, das aus diesem Teppich herbeigezaubert wurde, war nicht ganz so … anschmiegsam wie ich es gewohnt bin. Aber ich setze große Hoffnungen in diesen Findling«, fährt er fort und wirft mir einen unheilvollen Blick zu. »Wenn er sich eingewöhnt hat und ausgeruht ist, natürlich.«
    Sir Anthony schaut kurz zu mir herüber;
Was immer Ihr macht, haltet um Gottes willen den alten Narren bei Laune,
scheinen seine Augen auszudrücken. »Sehr wohl, Exzellenz«, sagt er schließlich.
    Lang streicht beiläufig über seinen Bart. »Eure Exzellenz, die Abgesandten von Schah Abbas möchten nun vielleicht über das Anliegen sprechen, das ihre Reise aus den arabischen Landen bis hierher beflügelt hat.«
    Rudolf zuckt mit den Schultern und bittet Sir Anthony mit einer nonchalanten Handbewegung, fortzufahren. Percy reagiert auf sein Stichwort und tritt vor. »Exzellenz«, sagt er und verbeugt sich,

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