Angelglass (German Edition)
weißt du? Ja, wirklich.«
Ich sage nichts. Von allen Leuten aus dem Haus ist Cody bisher am unfreundlichsten gewesen. Und John habe ich noch gar nicht getroffen. Karla scheint meine Gedanken zu lesen.
»John wäre bestimmt völlig fasziniert von dir«, sagt sie und bestellt die Rechnung. »Er steht echt auf Mysterien.«
»Ich freue mich darauf, ihn kennenzulernen. Ich hab schon viel von ihm gehört.«
Karla nickt. »Ich glaube, immer wenn John hier ist, dann machen wir genau das, was er sagt. Und wenn er nicht da ist, dann reden wir die ganze Zeit über ihn. Er ist sehr charismatisch, das muss ich ihm lassen.«
»So wie ich gehört habe, ist er anscheinend auch etwas Furcht einflößend«, sage ich.
»Oh, das würde er sehr gerne hören. Er gefällt sich in der Rolle des großen geheimnisvollen Anführers«, sagt Karla beiläufig, trinkt den Wein aus und schlüpft in ihren Mantel. »Ich sollte das vielleicht nicht sagen, bevor du ihn getroffen hast, aber eigentlich glaube ich, dass sein Kopf voller Scheiße steckt. Du darfst mich nicht missverstehen, er ist sehr interessant und motivierend, und seine politischen Ansichten und dieser ganze Anti-Globalisierungskram haben Hand und Fuß, aber ich habe das Gefühl, dass er angefangen hat, an seine eigene Wichtigkeit zu glauben. Tja, und deshalb läuft Cody auch wie ein Hündchen hinter ihm her.«
Wir verlassen das Restaurant und treten in die kalte Nachtluft hinaus. »Klingt, als wärst du eifersüchtig«, sage ich frotzelnd.
Karla stößt mich vor eine Mauer, und für einen Moment glaube ich, sie ernsthaft verletzt zu haben. »Hör zu, Freundchen!«, sagt sie wütend, aber mit einem Lachen in den Augen. »Karla Stone ist auf niemanden eifersüchtig.«
Ihr Gesicht wird plötzlich weich und ist so dicht vor meinem, dass ich den fruchtigen Geruch des Rotweins wahrnehme, der aus ihrem geöffneten Mund strömt. »Außerdem«, flüstert sie und rückt noch ein Stückchen näher, »vielleicht ist es ja an der Zeit, dass ich Cody mal etwas eifersüchtig mache. Na, was meinst du, Mystery-Man?«
Ich schließe unfreiwillig die Augen, als Karlas Lippen meinen Mund berühren, doch plötzlich zieht sie sich wieder zurück. Sie kneift sich kurz in die Nase und schüttelt den Kopf, so als wollte sie aus einer Art unruhigem Schlaf erwachen. »Pooty … ich, äh … ich glaube, wir gehen jetzt besser nach Hause.«
Schweigend laufen wir zurück nach Malá Strana, doch ich kann Karlas Blick auf mir spüren. Ich bin froh, dass Karla gleich in ihrem Zimmer verschwindet, als wir im Haus ankommen. Ihr Zimmer und das von Cody, korrigiere ich mich in Gedanken. Das Haus ist dunkel. Ich trotte die Treppe hinauf, um mich auch schlafen zu legen, bleibe aber dann an der offenen Tür zu Peteys Zimmer stehen. Er hockt im Dunkeln. Nur die orangefarbene Glut seines Joints verrät, dass er noch wach ist. »Hey Mann, schönen Abend gehabt?«, fragt er mit leiser Stimme.
»Ja danke, Petey«, erwidere ich nickend.
»Willst du ’nen Zug? Kann man gut von schlafen.«
Als ich in sein Zimmer trete, schaltet er die Nachttischlampe ein. Von knallbunten Magazinen umringt, liegt er auf seinem Bett. Sein Zimmer ist ein einziges Durcheinander aus Klamotten, Büchern und CD s. Die Gitarre liegt am Fußende des Betts. Petey streicht sein langes Haar zurück und bindet es mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ich lasse mich auf der Bettkante nieder und nehme den mir angebotenen Joint.
Eine Weile sitzen wir schweigend da und lassen den Joint hin- und hergehen. »Und, wie sieht’s aus, Mann? Kannst du dich an irgendwas erinnern?«, bringt er schließlich mit einer gewissen Mühe hervor.
Ich schüttele müde den Kopf. »Nicht viel. Manchmal kommen ein paar Traumfetzen oder halbe Erinnerungen, aber das ist alles sehr undeutlich. Ich frage mich langsam, ob mein Gedächtnis überhaupt irgendwann wieder zurückkommt.«
»Tabula rasa«, sagt Petey und kichert leise in sich hinein. »Eine leere Leinwand. Eine jungfräuliche Schalttafel.«
Er drückt die Kippe aus und baut sogleich einen neuen Joint. Ich hebe eines der Magazine vom Bett auf; ein Comic-Heft – bunt angezogene Superhelden im Kampf mit abscheulichen Bösewichtern. Unglaubwürdige Situationen und merkwürdige Dialoge.
»Liest du Comics?«, fragt Petey.
Ich blättere durch das Magazin. »Ich bin mir nicht sicher … Ich weiß zwar, was sie sind, aber nicht, ob ich schon jemals eins gelesen habe. Sind sie alle so wie dieses?«
»Du
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