Angelglass (German Edition)
Harten Männer. Sir Anthony hatte also recht; sie sind hier in Prag. Doch zu welchem Zweck? Wieso sind Carlo Fantom, Percy Tremayne und Edward Kelley Verbündete? Und was soll ich nun tun? Unvermittelt wird mir das Problem aus der Hand genommen.
»Übrigens, dieser Junge, dieser Findling«, sagt Kelley, jetzt wieder in Hörweite. Mein Blut gefriert zu Eis. »Ich traue ihm nicht. Irgendwas ist komisch an ihm. Was fangen wir mit ihm an?«
»Ach«, erwidert Percy. »Er ist ein Niemand. Ein Nichts. Es war ein glücklicher Zufall, dass wir ihn vor unserem Einzug in Prag gefunden haben. Wir dachten, er könnte den alten Bastard ein bisschen aufheitern. Allerdings haben wir nicht damit gerechnet, dass Rudolf ihn so dicht an sich heranlässt. Dieses ganze Geschwafel über den ›Spiegel von Prag‹. Aber mach dir um ihn keine Sorgen. Er kann unsere Pläne ohnehin nicht durchkreuzen.«
»Vielleicht werde ich ihn mir noch mal in aller Ruhe vorknöpfen«, schnaubt Kelley. »Es kann ja passieren, dass er über irgendetwas stolpert. Ich werde ihm klarmachen, dass er sich besser aus Dingen heraushält, die ihn nichts angehen. Sonst könnte diese kleine Jüdin, mit der er sich abgibt, noch mal erleben, was ein richtiger Mann mit ihr anstellen kann.«
Hannah. Nein. Ich darf Hannah nicht in Gefahr bringen.
»Wie du willst«, sagt Percy. »Ich werde Fantom übermorgen Abend instruieren. Gott weiß, dass mir schon übel wird, wenn ich ihn nur ansehen muss. Aber vermutlich ist er ein fester Bestandteil unseres Plans. Und nach dem, was beim letzten Mal passiert ist, dürfen wir nicht riskieren, dass er noch mal zum Schloss kommt.«
»Und das Ablenkungsmanöver? Ich habe heute Morgen bei Rudolf bereits die Basis gelegt. Er glaubt wirklich alles, was? Er ist genauso naiv wie Dee.«
»Das überlasse ich dir«, sagt Percy. »Ich schlage vor, dass du damit nicht länger wartest als bis morgen. Ich muss jetzt zurück ins Schloss. Ich fürchte, Sir Anthony ist ein wenig misstrauisch geworden, nachdem dieser verfluchte Findling meine Spange entdeckt hat. Leb wohl, Edward!«
»Oh, das werde ich, Percy. Wenn diese Sache erst mal vorbei ist, werden wir hoffentlich alle wohl leben.«
Als sich die beiden in unterschiedliche Richtungen davonmachen, dreht sich mir der Kopf. Was ist der Kern dieser Geschichte? Und was soll ich tun?
Vorläufig kann ich gar nichts tun. Wer sollte mir Glauben schenken? Würde Sir Anthony das Wort eines Fremden über das seines getreuen Hauptmanns stellen? Und Doktor Dee kenne ich nicht gut genug, um ihn anzusprechen. Lang hat bereits einmal versucht, mein Leben zu beenden. Und dann sind da noch die Drohungen gegen Hannah; ich darf sie keinem Risiko aussetzen. Nein, im Augenblick muss ich auf eigene Faust handeln, zumindest so lange, bis ich genauer weiß, was geschehen wird. Vielleicht sollte ich Percy verfolgen, wenn er sich mit Carlo Fantom trifft. Aber zunächst habe ich eine andere Aufgabe. Das Engelsglas von Doktor Dee.
»Meister Poutnik, ich fürchte, wir machen einen schrecklichen Fehler«, flüstert Jakob. Ich habe ihn in die dunklen Korridore des Westflügels geführt. Es bereitet mir zwar Schuldgefühle, ihn in meine Pläne einzubeziehen, aber jetzt haben wir keine Zeit mehr zu vergeuden.
»Pass einfach nur auf, Jakob. Ich mache, so schnell ich kann.«
Der alte Kammerdiener stellt sich an den Eingang zum Korridor und verbirgt sich in der Dunkelheit. Wie ich erwartet habe, ist die Tür zu Dees Quartier verschlossen. Wage ich es, mit Gewalt einzudringen? Vielleicht gibt es ja einen anderen Weg. Ich erinnere mich plötzlich an den Wächter auf der Karlsbrücke und den schreckverzerrten Blick, mit dem er mich und den Ausdruck in meinen Augen quittierte. Jetzt versuche ich, eben jene Kraft hervorzubringen, mit der ich ihn zur Aufgabe zwingen konnte, dieses bestimmte Gefühl zu offenbaren, ein tief in mir schlummerndes Etwas an die Oberfläche zu lassen. Der Türgriff wird unter meiner Berührung erst warm, dann heiß. Mit einem Mal spüre ich die Riegel leise klicken, und die Tür öffnet sich knarrend.
Ein weiteres Mysterium, für dessen Aufklärung ich jetzt allerdings keine Zeit habe. Ich befinde mich in Dees Quartier.
Ein kleiner Empfangsraum führt in ein mit Büchern ausgestattetes Arbeitszimmer. Ich streiche mit den Fingern über die Buchrücken, während ich mich in der Dunkelheit langsam vortaste. In einem Nebenzimmer zur Linken befindet sich ein alchemistisches Labor, ähnlich dem von Brahe
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