Angelglass (German Edition)
Cody und du, während wir unseren Hals riskieren?«, fragt Karla.
»Wir werden zusammen mit der Presse auf dem Wenzelsplatz sein. Irgendjemand muss ja vor die Kamera treten und einen Kommentar abgeben.«
»Du hast eben von Razzien gesprochen«, sagt Padraig. »Was wird denn da auf uns zukommen?«
»Die tschechische Polizei natürlich«, erwidert Cody. »Muskelbepackte und wahrscheinlich bewaffnete Polizisten im
Excelsior
. Und dann die Agenten.«
»Agenten?«, frage ich.
John holt tief Luft. »Die Ölgesellschaften verfügen über ein eigenes, umfassendes Sicherheitssystem. Neben den typischen Gorillas, die dort überall rumstehen und aufpassen, arbeiten sie mit bewaffneten Agenten. Die meisten von ihnen sind ehemalige FBI - und CIA -Angestellte oder Exsoldaten. Harte Typen also. Wahrscheinlich versuchen einige von denen als Undercoveragenten die Protestbewegung zu infiltrieren. Deswegen kann sich Cody auch nicht im Hotel blicken lassen.«
»Undercoveragenten«, murmelt Petey in sich hinein. Ich spüre plötzlich, wie mir die anderen komische Blicke zuwerfen. John fängt an zu lachen.
»Ich glaube nicht eine Sekunde, dass unser Mister Poutnik ein Agent der Ölgesellschaften ist«, sagt er und sieht mich unverwandt an. »Du würdest bestimmt nicht hier sitzen, wenn ich so etwas annähme.«
Cody wirkt immer noch skeptisch, doch John fährt unbeirrt fort. »So, das wäre also der Stand der Dinge. Ruht euch in den nächsten Tagen schön aus und sammelt eure Kräfte, Leute. Ab dem nächsten Wochenende werden wir alle einen Zahn zulegen müssen.«
Nachdem Johns Worte eine Weile in unser Bewusstsein sinken, steht Padraig auf. »In Ordnung, ich muss jetzt zur Arbeit. John, ich habe Noel übrigens versprochen, ihn für die Ausrüstung zu bezahlen, sobald du wieder da bist …«
»Kein Problem. Ich kann dir gerne Geld geben.«
»Wunderbar«, erwidert Padraig. »Ich spring mal eben unter die Dusche. Bis gleich.«
Alle stehen jetzt auf, die Besprechung ist vorbei. John bittet Cody, ihn in sein Zimmer zu begleiten, um ein paar Informationen zu überprüfen. »Ich sollte jetzt besser ins Büro gehen«, sagt Karla und sieht auf die Uhr. Jenny nickt. »Ich muss noch ein Essay fertig schreiben, bevor das ganze Theater losgeht.«
Nachdem schließlich auch Petey aus dem Wohnzimmer geschlurft ist, bin ich allein. Das also ist das große Geheimnis. Ein Transparent und ein Feuerwerk. Ich muss gestehen, dass mir das Ganze nach der angespannten Stimmung, die sich in den letzten Wochen im Haus aufgebaut hat, eher wie eine Enttäuschung vorkommt. Ich hatte mit einer wirklich großen Sache gerechnet, mit irgendeiner aufsehenerregenden Aktion oder einem Konflikt. Aber wahrscheinlich ist das echte Leben dann doch viel weniger aufregend. Vielleicht bewegt sich nicht immer alles auf einen entscheidenden Moment zu und wir begnügen uns mit kleineren Dingen, die uns den Weg ebnen. Vielleicht. Aber dennoch kann ich das Gefühl nicht abschütteln, dass mir etwas Wesentliches verheimlicht wurde.
Da ich heute Abend nicht in der Kneipe arbeiten muss, mache ich einen Spaziergang durch Prag und besuche ein kleines Café in der Nähe des Jüdischen Viertels. Trotz all der versteckten – und weniger versteckten – Warnungen der anderen, habe ich John bisher als angenehm und freundlich wahrgenommen. Offensichtlich hat er sich seiner Sache ganz und gar verschrieben, und seit seiner Rückkehr ist sogar die Atmosphäre im Haus ein klein wenig geschäftsmäßiger geworden. Die Protestaktion hat für alle anscheinend große Bedeutung. Zwar habe auch ich mich von ihrem Enthusiasmus anstecken lassen, komme mir aber trotzdem irgendwie unbeteiligt vor. Ich frage mich, ob ich mich in meinem Leben jemals einer bestimmten Sache so sehr verschrieben habe. Ob ich eine Obsession hatte, für die ich bereit gewesen wäre zu sterben, oder irgendein Vorbild, dem ich nachgeeifert habe. Oder ob ich immer nur jemand gewesen bin, der das Leben bloß beobachtet.
Als die Dämmerung einsetzt, laufe ich zum Haus zurück. Aus dem Garten höre ich Stimmen und bleibe am Tor stehen.
»Ich traue ihm ganz einfach nicht, das ist alles.« Codys Stimme. »Und ich verstehe nicht, wieso du ihn so ohne Weiteres in die ganze Sache einweihen konntest.«
Nach einer kleinen Pause ist Johns Stimme zu hören. »Hast du irgendeinen Verdacht?«
»Ich glaube nur nicht, dass es so klug ist, unsere Gruppe kurz vor den N15-Protesten mit einer unbekannten Größe zu konfrontieren. Ja, es
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