Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
denken, aber Torte gab es – eine richtig fette giftgrünpinkfarbene Torte. Die war wahrscheinlich so giftig wie sie aussah. Wir haben sie zur Feier des Tages trotzdem gekauft, ungeachtet der Chemie, die in jedem cremigen Stück enthalten sein mochte. Trotz der eigenwilligen Kost wurde es ein herrlicher Geburtstag. Natürlich haben wir es den Russen gleichgetan und viel getrunken. Neben Wodka gab es auch roten Krimsekt. Den konnte man dort an jedem Kiosk kaufen. Leider verursachte er heftige Kopfschmerzen, vor allem, wenn er in großen Mengen genossen wurde.
Unsere letzte Station war Simferopol, auf der Halbinsel Krim gelegen. Dort erwartete uns ein kulinarisches Paradies – es gab Spiegeleier! Darüber waren wir sehr glücklich.
Während des Frühstücks stand neben mir ein Mann, der sich ein Glas Wodka „mit Berg oben drauf“, also „sto Gramm“ in den Hals kippte. Zum Frühstück so eine Alkoholbombe – vor Erstaunen wäre ich fast vom Stuhl gekippt. Nach einer solchen Portion Schnaps wäre ich eine Woche lang außer Gefecht gesetzt gewesen.
Den absoluten Knaller erlebten wir aber in Pjatigorsk, einer sehr schönen Stadt im Nordkaukasus. Pjatigorsk – die Stadt der fünf Berge – ist eine Kurstadt mit Thermalbädern und viel Kultur. Der sehr beliebte und berühmterussische Dichter Lermontow wurde dort in einem Duell getötet und natürlich gibt es ein nach ihm benanntes Museum. Dort wurden wir richtig verwöhnt. Der Administrator, wahrscheinlich vergleichbar mit einem Bürgermeister, brachte uns echten Kaviar. Dazu gab es Kaffee, Weißbrot und Butter. Wir haben uns nicht lange bitten lassen und hemmungslos zugeschlagen. Danach konnte ich tagelang nichts mehr essen.
Abenteuerlich war auch, wie die „russischen Freunde“ mit unserem Gepäck umgegangen sind. Wir waren meist mit dem Flugzeug unterwegs, unsere Technik wurde mit Lastwagen transportiert, die zwar Reifen hatten, allerdings ohne jegliches Profil. Am Ende der Tour sollten wir den Nachtzug nach Moskau nehmen, die Anlage war schon im LKW verstaut und sollte über Landstraße nach Moskau gebracht werden. Um 22 Uhr sollte es eigentlich losgehen, als wir fast ohnmächtig wurden vor Schreck. Auf dem Bahnhof wartete unsere sehr teure im Westen erstandene Anlage auf uns – mitten im Schneesturm. Mit dabei war zum Beispiel mein Grand Piano von Yamaha, das ich für sagenhafte 32.000 Ostmark gekauft hatte. Mein wertvollster Besitz stand also auf einem unbewachten Bahnhof in der russischen Steppe und schneite ein. In Windeseile luden wir die teuren Geräte in den Zug. Die eigentlich vorgesehenen Transporteure hatten sich das Geld eingesteckt und den Transport uns überlassen.
Vom Publikum hingegen kann ich nur schwärmen. Die Leute waren sehr herzlich, haben uns wirklich freundlich aufgenommen. Ich hatte fleißig die Sprache gelernt, um das Programm auf Russisch ansagen zu können. Das wurde mit viel Beifall quittiert. Am Ende der Konzerte überhäufte man uns mit selbstgebastelten Geschenken. Ich hatte am Ende allein 20 Halsketten aus Apfelkernen.Wir spielten immer in den Philharmonien, den größten und teils wirklich sehr schönen Konzertsälen. Auch unsere Hotels waren die besten an den jeweiligen Orten. Doch was kann man sich darunter vorstellen? – Ich wohnte in Suiten, wo die nackten Glühbirnen aus der Wand ragten, Badewannen noch nie einen Putzlappen gesehen hatten und des Nachts Kakerlaken über die Böden wanderten. Stoisch folgte ich dem Ansinnen der Dolmetscherin: Hauptsache, wir hatten Frieden.
Aber wir haben auch viel Schönes gesehen: die atemberaubend schöne Natur des Kaukasus, das Schwarze Meer, Jalta – diesen geschichtsträchtigen Ort, das wunderschöne Odessa. Mir ist diese Reise auch deshalb noch so gut in Erinnerung, weil ich damals Tagebuch geschrieben habe. Ganz ordentlich steht da geschrieben, was ich alles mitnehmen wollte, Adressen von Leuten, denen ich schreiben wollte, schöne und weniger schöne Erlebnisse, über den Schock, als wir nach unserer Ankunft in Moskau feststellten, dass die Kiste mit den Schlagzeugbecken völlig kaputt war und vieles mehr.
An die dortigen Witterungsverhältnisse mussten wir uns auch erst einmal gewöhnen. Wir waren von Oktober bis November unterwegs und standen teilweise in eiskalten Hallen auf der Bühne, manchmal für drei Konzerte am Tag. Wir haben in kalten Hotelzimmern gewohnt und sind in ungeheizten Zügen gefahren. Kein Wunder, dass ich auch krank wurde – ich bekam hohes Fieber
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