Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
präsentierte das „Konzert Exquisit – Frauen im Rock“, 1983. Obelisk wurde durch Bläser und einen Percussionisten aufgestockt und begleitete die Damen: Anett Navall, Eva-Maria Pieckert, Uschi Brüning, Angelika Mann, Tamara Danz und Kathrin Lindner (v.l.).
■ Tournee SU
1983 hielt uns die Künstleragentur für würdig und reif, eine Konzerttournee durch die ruhmreiche Sowjetunion zu machen. Über sieben Wochen sollten wir Konzerte in diesem Riesenland geben. Wir freuten uns sehr. Endlich einmal fuhren wir nicht nur von Suhl nach Rostock oder von Magdeburg nach Frankfurt/Oder. Wir hatten die Möglichkeit, ganz neue Erfahrungen vor einem Publikum zu sammeln, das uns nicht kannte.
Ich paukte fleißig Russisch, um meine Ansagen auch in der Landessprache machen zu können und der Song „Will mit dir zusammen sein“ bekam einen russischen Text.
Eigentlich sollte die Tour Mitte Oktober 1983 starten. Anfang September bekamen drei meiner fünf Musiker die Einberufung zur Armee. Über mir brach alles zusammen. Wie sollte ich in der kurzen Zeit eine neue Band finden, wann sollte ich die vielen, wirklich nicht simplen Lieder proben? Das war völlig unmöglich und ich war gezwungen, einen Ausweg zu finden.
Ich besann mich auf J. H., der schon seit längerer Zeit versuchte, mich für die Mitarbeit beim Staatssicherheitsdienst zu begeistern. Bisher war ihm das nicht gelungen und ich hatte auch nicht vor, in Zukunft irgendeine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben. Trotzdem bat ich ihn in dieser Situation um Hilfe. Ich wusste mir einfach keinen anderen Rat. Mit meinem heutigen Wissen denke ich, dass diese Einberufungen getürkt waren, um mich doch noch zu einer Mitarbeit, die ich immer rundherausabgelehnt hatte, zu bewegen. J. H. hat sich jedenfalls dafür eingesetzt, dass keiner der Musiker „zur Fahne“ musste und so habe ich mithilfe der Staatssicherheit die Kampfkraft der Nationalen Volksarmee unterwandert.
Die Reise in die Sowjetunion entwickelte sich zu einem spannenden Abenteuer. Wir hatten eine ganz zauberhafte Dolmetscherin – Ljuda. Die Antwort Ljudas auf die vielen Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten,die uns begegneten war ihr gebetsmühlenartig vorgetragener Spruch: „Hauptsache, wir haben Frieden“. Damit hat man dort alles relativiert. Ja, die Russen hatten ein ganz anderes Gemüt.
Ich war schön schlank in die Sowjetunion gefahren … 1983
Wie erwähnt waren die Toiletten unbenutzbar, man konnte nicht einfach in ein Geschäft gehen, um sich was zu essen zu kaufen und eiskalt war es auch. Aber Hauptsache, wir haben Frieden. Für mich wäre ein leckeres Essen auch ganz schön gewesen. Es gab keine Milch in den Geschäften, keinen Käse, keine Wurst – nur Gemüsekaviar, das war irgendein undefinierbarer matschiger Brei in Gläsern. In den Restaurants gab es immer Schnitzel. Das waren aber keine herkömmlichen Schnitzel wie wir sie kennen, sondern bedeutete, dass alles durch den Fleischwolf gedreht wurde, selbst Hühnerkeulen. Diese wurden ausgelöst, püriert und dann wieder in die Haut gestopft.
Ich war schön schlank in die Sowjetunion gefahren, aber mit Smetana, das war Sahne, und Kohlröllchen zum Frühstück fiel es mir schwer, die Figur zu halten.
Eine Station unserer Tournee war Kischinau in der Republik Moldau – eine schöne Stadt mit breiten Straßen, so unser erster Eindruck. Im Hotel erwarteten uns schon junge Landsleute, die dort studierten. Sie brachten uns Butter und Schmalzfleisch in Dosen, wohl wissend, dass es für uns nicht ganz einfach war, etwas Passables zu essen zu bekommen. Mit dem Knäckebrot, Nescafé, der Instantbrühe von meiner Mutter aus dem Westen und Knackwurst sowie den Keksen von Udos Mutter aus Thüringen kamen wir halbwegs gut über die Runden. Immerhin schrieben wir das Jahr 1983. Wir befanden uns also nicht unbedingt in der Nachkriegszeit. Und trotzdem war die Versorgungslage alles andere als gut.
Sehr erstaunt war ich, als ich sah, wie man dort Frauen behandelte. Es war ja Winter. Der Schnee wurdenur von Frauen weggeschippt, die Männer standen daneben und erteilten Befehle. Frauen in der DDR waren sicher emanzipiert aber uns gefiel es trotzdem, wenn die Männer höflich waren, wenn sie uns in den Mantel halfen oder die Tür aufhielten. Davon konnte in der Republik Moldau keine Rede sein. So sah also die ruhmreiche Sowjetunion aus …
In Donezk feierte Andreas Bicking seinen Geburtstag. An frischen Bäckerkuchen war natürlich nicht zu
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