Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
sackte ich völlig zusammen und hatte sofort wieder den kollektiven Minderwertigkeitskomplex. Ich konnte es nicht fassen. Da urteilte diese Frau, die doch genau wusste, mit welchen Schwierigkeiten wir zu kämpfen hatten, in einer derart arroganten Art und Weise über mich. Ich war fassungslos.
Trotz dieses Tiefschlags ging es auf wundersame Weise weiter. Ich bekam eine Anfrage der Band Rumpelstil . Sie kannten mich von den Lacky-Kinderplatten und wollten gerne mit mir arbeiten. Ich hörte mir ihre Lieder an, ging in ihre Kinderprogramme und war total glücklich, dass sie Lust auf mich hatten.
Für mich bedeutete die neue Verpflichtung früh aufzustehen, denn wir spielten ganz oft im FEZ, im Freizeit- und Erholungszentrum in der Wulheide, einer ganz wunderbaren Einrichtung, in der Kinder basteln, forschen, Sport machen oder sich Theaterstücke ansehen und auch selber einstudieren können. Auf der FEZ-Bühne hatte ich Anfang der 80er Jahre Premiere mit Obelisk und unserem Stück „Kling Klang“ und jetzt war ich wieder dort. Das Programm mit Rumpelstil hieß „Ach du dickes Trommelfell“. Danach folgten Schlag auf Schlag die nächsten Stücke: „TariTaro“, „Käsemondmärchen“, in dem Gerhard Schöne meinen Ehemann Wunibald spielte, und „Frau Holle“. Jörn Brumme, der geniale Texter und Stückeerfinder hatte immer wieder neue tolle Ideen. Und die Musik von Lexa Thomas und Peter Schenderlein ist so rockig, so originell.
Diese Band schafft es inzwischen jedes Jahr, die ausverkaufte Waldbühne in Berlin und Kinder in ganz Deutschland mit ihren Taschenlampenkkonzerten glücklich zu machen.
1994 folgte ein Anruf von RTL – Hella von Sinnen hatte dort die Sendung „Wenn die Putzfrau zweimal klingelt“ und ihr Stargast war Nina Hagen. Uschi Brüning und ich waren als Überraschungsgäste eingeladen – welch ein Spaß. „Die Fantastischen Vier“ waren auch da und ich hatte mit Smudo in der Garderobe eine Menge zu erzählen. Nina war überhaupt nicht auf uns vorbereitet und freute sich wie verrückt. Nach der Sendung ging es noch ins Hotel „Bayerischer Hof“. Nina feierte in ihren Geburtstag rein und ich sang ihr in der Bar „Mercedes Benz“ von Janis Joplin. Anschließend bin ich mit Hella, ihrer Freundin Conny und Ralph Hazy Hartlieb, dem Schöpfer von Hellas fantasiereichen Kostümen, regelrecht versackt. Der Limoncello hatte es mir angetan und hat mir auch am nächsten Tag höllische Kopfschmerzen bereitet.
Während einer unserer Vorstellungen mit Rumpelstil teilte mir Jörn Brumme ganz vertraulich mit, dass Alexander Iljinskij, zu jener Zeit Intendant des Friedrichstadtpalastes, mich als Hexe in der Kinderrevue „Hänsel und Gretel“ besetzen wollte. Und tatsächlich, kurz danach bat er mich zu sich und hatte noch eine andere Überraschung in petto. Die Kinderrevue lief immer ab Mitte Oktober bis Anfang Januar, jeden Tag von 16 bis 18 Uhr. Da ich ja sowieso im Haus wäre, könnte ich auch gleich noch in der „Kleinen Revue“ im Keller des Hauses bei einem Programm zum 100. Todestag von Claire Waldoff mitwirken. Ja, ja, ja! So etwas hatte ich mir schon immer gewünscht. Viele neue und möglichst sehr unterschiedliche Aufgaben.
So wurde der Friedrichstadtpalast fast mein zweites Zuhause. Ich probte für die Kinderrevue, lernte tanzen, kroch förmlich rein in meine Hexenrolle und danach ging es weiter mit Berliner Liedern, die für meine weitere Arbeit auf der Bühne sehr wichtig werden sollten.
Die Kinderrevue „Hänsel und Gretel“ basierte auf der Oper von Engelbert Humperdinck. Alexander Iljinskij hatte das Textbuch neu geschrieben und Frank Nimsgern eine sehr rockige Version aus der Originalmusik gemacht.
Das Kinderensemble des Friedrichstadtpalastes ist einmalig. Die Kinder erhalten dort eine hervorragende Ausbildung, sei es im Ballettanz oder auch auf schauspielerischem Gebiet. Auch meine Tochter Ulrike war als Sprecherkind dabei und der Regisseur Ehrhard Förster wollte, dass sie die Vorstellung mit einem kleinen Stück auf der Geige beginnen sollte. Für Ulrike war es nicht ganz einfach, zwischen Bühne und Wirklichkeit zu unterscheiden. Wir probten eine Szene, bei der die Kinder vor mir, der bösen Hexe, wegliefen. Mein Kind war fassungslos, dass man ihre Mama nicht mochte und brach weinend zusammen.
Als Hexe in „Hänsel und Gretel“ Friedrichstadtpalast Berlin, 1994
Ich allerdings ging ganz in der Arbeit auf. Endlich konnte ich mal so richtig böse und dämonisch sein.
Weitere Kostenlose Bücher