Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
nächsten Tag so einzurichten, dass ich etwa um halb zwei loskönnte. Ich wollte mit dem Bandbus mitfahren. Damals herrschte tiefer Winter. Er vertröstete mich auf den nächsten Morgen.
Tags darauf stand ich pünktlich wie immer zur Probe bereit und erlebte ein Donnerwetter sondergleichen. Der Regisseur baute sich vor mir auf und schrie und tobte: „Was bilden Sie sich ein, über unsere Probenplanungen zu bestimmen? Sie können doch gar nichts, Sie sind völlig unbegabt. Was Sie hier bisher abgeliefert haben, spottet jeder Beschreibung …“ Er konnte sich gar nicht beruhigen und legte einen Riesenauftritt hin. Bei aller Wutschnauberei achtete er aber sorgfältig auf seine Atemtechnik. Am Ende schmiss er mich raus und meinte, ich wäre entlassen. Herbert Köfer und Lippi fehlten die Worte. Beide starrten mich perplex an.
Ich blieb während dieser „Show“ ganz gelassen – schließlich hatte ich einen Vertrag. Zur Not hätte ich klagen können, auch wenn das vor allem Zeit, Nerven und Geld kostet. Aber das war gar nicht nötig. Der Regisseur bekam weiterhin cholerische Anfälle, auch ohne meine Anwesenheit, und war eines Tages plötzlich weg. Ein anderer übernahm für ihn und wir absolvierten eine sehr schöne Tournee.
Vor allem mit Lippi hatte ich viel Spaß. Ihn kenne ich schon seit Anfang der siebziger Jahre, da tobte er noch als Band-Roadie durch die Gegend. Überall, wo Musik gespielt wurde, war auch Lippi. Schon damals konnte der ganz allein eine ganze Kneipe unterhalten. Später erwies er sich als sehr begabter Sänger. Kein geringerer als Franz Bartzsch hat ihm die erste Chance zum Singen gegeben.
Auch als Schauspieler machte er sich gut. Immer zuverlässig und fleißig war er ein liebenswerter Kollege und ein Garant für gute Laune. Er hat das Zeug zum großen Entertainer. Ich würde ihn gern wieder mit einer Show im Abendprogramm eines öffentlich-rechtlichen Senders sehen.
Die Zusammenarbeit mit Herbert Köfer war mit diesem Stück noch nicht zu Ende. Während einer zweiten Theatertournee spielten wir gemeinsam in „Hilfe, ein Baby“. Herbert fragt mich seitdem jedes Jahr, ob ich nicht mal wieder in einem seiner Stücke mitspielen würde, aber bisher hat es zeitlich einfach nicht geklappt.
■ In der Schuldenfalle
Ich tourte, spielte Theater, sang, kurzum, es ging mir eigentlich ganz gut – bis der große Knall kam. Auf den hatte ich – eher unbewusst – wohl schon lange gewartet. Das einzige, was ich wirklich sehr gerne aus der DDR in die neue Zeit übernommen hätte, war das Steuersystem. Für den freischaffenden Künstler war das nämlich ideal. Jeder zahlte pauschal zwanzig Prozent Abgaben. Dass das nicht so falsch sein kann, haben ja auch schon etliche Politiker und Wirtschaftswissenschaftler konstatiert.
Egal ob ich beim Fernsehen, im Film, im Rundfunk oder auf der Bühne gearbeitet hatte, es wurden zwanzig Prozent von meiner Gage abgezogen – und zwar sofort. Dieses Geld bekam man erst gar nicht in die Finger, konnte es nicht ausgeben und hatte demzufolge auch niemals Steuerschulden.
Frisch im Westen hat uns natürlich niemand auf das etwas „komplexere“ Steuersystem der Bundesrepublik vorbereitet und hingewiesen. Von Mehrwert- und Umsatzsteuer hatte der ahnungslose Ossi zu dieser Zeit noch nie etwas gehört. Bekannte vermittelten uns aber eine sehr korrekte und zuverlässige Steuerberaterin, und so kamen wir ganz gut klar. Leider hat diese Steuerberaterin irgendwann Ende der neunziger Jahre ihr Büro samt Klientel verkauft. Fortan hatten wir mit ihrem Nachfolger zu tun. Dieser nahm alle meine Unterlagen entgegen und wenn ich in seiner Kanzlei war, musste ich mich mit seiner Frau fotografieren lassen. Nette, freundliche Leute. Dachte ich!
Nach einiger Zeit bemerkte ich jedoch, dass es „Verzögerungen“ in der Bearbeitung meiner Unterlagen gab. Ich hatte noch einige Kolleginnen an ihn empfohlen, die auch unruhig wurden, weil er ihre Einkommenssteuererklärungen nicht pünktlich abgegeben hatte. Auf meine Nachfrage vertröstete er mich immer wieder. Da ich damals genug Trödel am Hals hatte – Stasi-Geschichte, ausgefallene Engagements, Veränderungen im privaten Leben, ließ ich das nur zu gerne zu.
Als sich trotz Verhandlungen beim Finanzamt, bei denen er auch zugegen war und hoch und heilig versprochen hatte, nun endlich tätig zu werden und die ausstehenden Steuererklärungen abzugeben, immer noch nichts tat, kündigte ich ihm. Nun brauchte ich natürlich meine
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