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Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Titel: Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Mann
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Situation. Ich hatte das Gefühl, kurz vor einem Herzinfarkt zu stehen und fand kaum Worte. Die dachte wahrscheinlich, dass ihr diese komische Sängerin was vorspielt, denn kurz darauf ging das Pfänden von vorn los. Wo ich auch auftrat, der Pfändungsbescheid war schon da. Trotz diesesSchlamassels stand ich jeden Abend auf der Bühne und verbreitete gute Laune. Der lustigen Snegurotschka war überhaupt nicht nach Lachen zumute. Die ganze Sache hat mich wahrscheinlich um Jahre altern lassen.
    Im Januar 2009 konnte ich dann endlich den Antrag auf Insolvenz stellen.
    Obwohl der Amtsrichter, wie es in solchen Fällen üblich ist, verfügt hatte, dass nun nur noch der Insolvenzverwalter über mein Geld zu entscheiden hätte, versuchte das Finanzamt weiterhin, mich zu pfänden. Was das sollte, weiß ich bis heute nicht. Durch ein solches Vorgehen bringt man den Schuldner nur in die Situation, immer mehr Schulden zu machen, um zu überleben. Sowohl mein Schuldnerberater als auch der Insolvenzverwalter wunderten sich über diese rigide Vorgehensweise. Sie hatten es ja schon häufig mit viel höheren Schuldensummen zu tun gehabt, bei denen die Finanzbeamten sich wesentlich kooperativer verhalten haben. Sie konnten sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da jemand ein persönliches Problem mit mir hatte.
    Eine meiner größten Ängste war natürlich, dass die ganze Sache an die Öffentlichkeit geraten könnte. Mir war das alles furchtbar peinlich. Dabei hatte ich ja mein Geld weder in windige Immobiliengeschäfte gesteckt noch hemmungslos bei Versandhäusern sinnloses Zeug bestellt. Ich hatte auch niemanden übers Ohr gehauen. Ich war einfach nur zu blöd und zu schluderig, um einen säumigen und unfähigen Steuerberater rechtzeitig rauszuschmeißen.
    Es kam wie es kommen musste. Der BERLINER KURIER erwischte mich am Telefon und offenbarte mir, dass man über meine Probleme informiert sei, ob ich mich nicht dazu äußern wolle. Ich bin lange genug im Geschäft umzu wissen, dass man keine andere Chance hat, als mit der Presse zu reden. Die Redakteure stehen unter Druck. Wenn man nicht mit ihnen reden will, sind sie meist gezwungen, sich etwas auszudenken. Das wollte ich natürlich nicht, und so ging ich in die Offensive und habe über alles gesprochen, auch über meine Ängste. Natürlich war ich dann am nächsten Tag mit meiner Geschichte gleich auf dem Titelbild, aber mir war sowieso alles egal. Zwei Tage später titelte der BERLINER KURIER: „Gregor Gysi wird Lüttes Schuldenberater“. Das war natürlich Unsinn. Ich hatte meine Geschichte aufgeschrieben und als Mail an alle Parteien geschickt, um darauf aufmerksam zu machen, dass der deutsche Steuerzahler den Beamten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Antwort bekam ich von der CDU, die diesen Fall auch vor den Petitionsausschuss brachte. Genutzt hat es mir leider nichts. Und Gregor Gysi anwortete mir und bot mir an, mich mit einem für solche Fälle spezialisierten Anwalt bekannt zu machen. Aber da waren bereits alle Messen gesungen.
    Kurz darauf wurde ich zu diesem Thema in die MDR-Sendung „Unter uns“ eingeladen. Die Reaktion vieler Menschen war, wie ich danach erfuhr, durchaus positiv. Niemand pöbelte oder beschimpfte mich. Sehr viele Leute schrieben mir, dass ihnen Ähnliches widerfahren sei. Auf der Straße wurde ich von wildfremden Menschen angesprochen und man spendete mir Trost.
    Am 12. März 2009 war es dann endlich soweit. Ich war nun tatsächlich insolvent. Das bedeutet für die nächsten sechs Jahre alles offenzulegen, keine neuen Schulden zu machen und sich umzumelden, wenn man umzieht. Das ist alles zu schaffen. Noch dazu habe ich zu meinem großen Glück meinen Mann, der mir unermüdlich hilft, Ordnung in mein Chaos zu bringen.
    Nachdem ich nun amtlich insolvent war, hatte ich den Kopf wieder frei und war gierig auf neue Aufgaben. Die ließen nicht lange auf sich warten, dank meines lieben Freundes Franz Bartzsch.
    Der MDR produzierte eine Hörspiel-CD., „Henriette Bimmelbahn“ von James Krüss, erzählt von Uwe Friedrichsen. Franz sollte dazu die Zwischenmusik schreiben und war der Meinung, dass man einige Texte vertonen sollte. Ich hielt das für eine prima Idee, denn er wollte gern, dass ich diese Lieder singe und auch noch einige Zwischentexte spreche. Ich sehe mich heute noch in seinem Studio stehen. Irgendwann sagte Franz in seinem weichen Thüringer Dialekt: „Ach Lüttchen, du singst das ganz genau so, wie ich mir das vorgestellt

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