Angélique - Am Hof des Königs
Gefühle verletzten, die sie ihrer spanischen Erziehung verdankte. Sie würde ein trauriges Leben führen, doch obwohl sie unentwegt um die allzu seltenen Umarmungen ihres Gottes betteln musste, sollte ihr im Gegensatz zu früheren Königinnen die schlimmste Kränkung erspart bleiben: von ihm verstoßen zu werden. Niemals würden beim Lever des Königs die Vorhänge des Bettes zurückgezogen werden, ohne dass man diesen
neben Maria Theresia, seiner Gemahlin, liegen sah, so wie er es ihr eines Morgens in Saint-Jean-de-Luz versprochen hatte.
Aber noch lag die Zukunft verborgen in den Geheimnissen und Unwägbarkeiten der Geschichte.
In Saint-Jean-de-Luz hingegen begann die Gegenwart die Schäden zu beheben, die die zahllosen Füße hinterlassen hatten.
Die Insel im Bidassoa würde wieder ergrünen.
Und auf dem Wasser der Flussmündung würden die Boote der schönen Schmugglerinnen von Pasajes wieder ungestört dahingleiten können.
VIERTER TEIL
Die Rückkehr nach Paris
Kapitel 16
D er Hof reiste zurück nach Paris. Durch Hügel und Ebenen entfernte er sich von Saint-Jean-de-Luz und verließ das Land der Basken.
Die kleine Stadt, die für alle Zeiten in die Geschichte eingehen sollten, verschwamm, und bald würden die Gesichter anderer Provinzen vor ihnen aufscheinen.
An einer Wegbiegung streckte Angélique den Kopf aus dem Fenster, weil sie noch einmal die großartige Landschaft genießen wollte. Sie wusste nicht, ob der Abschiedsschmerz, den sie in ihrem Herzen fühlte, von zerbrochener Liebe herrührte oder von Groll über den Schlag, der ihr an diesem Ort versetzt worden war: Joffreys Verschwinden.
Hinter dem in der Ferne verblassenden Ort zeichnete sich unauslöschlich die violette Linie der Pyrenäen ab, jenes majestätischen Gebirges, das sich vom Atlantik bis zum Mittelmeer über den Horizont zog …
Und dahinter lag das strahlende, finstere Spanien.
Über Berg und Tal, durch Wiesen und wogende Weizenfelder zog sich die lange Karawane der vierspännigen, sechsspännigen, achtspännigen Karossen, der Karren mit Betten, Truhen und Wandteppichen, der mit allem Möglichen beladenen Maultiere, der Lakaien und der berittenen Garden.
Wenn sie sich einer Ortschaft näherte, sah man durch den Staub die Abordnungen der Schöffen oder Ratsherren herankommen, die dem König auf einem silbernen Tablett oder samtenen Kissen die Schlüssel der Stadt darbrachten.
Auch Angélique folgte dem Hof nach Paris.
»Solange man Euch nichts sagt, tut Ihr am besten so, als sei gar nichts passiert«, hatte Péguilin ihr geraten.
Immer wieder zischte er »Psst« und zuckte beim geringsten Laut zusammen.
»Euer Gemahl wollte nach Paris, also reist ihm nach. In Paris wird sich alles aufklären. Vielleicht ist ja alles bloß ein Missverständnis.«
»Aber was wisst Ihr denn, Péguilin?«
»Nichts, nichts … Ich weiß nichts.«
Mit sorgenvoller Miene eilte er davon, um vor dem König seine Faxen zu treiben.
Schließlich bat Angélique Andijos und Cerbalaud, sie zu begleiten, und schickte einen Teil ihres Trosses zurück nach Toulouse. Sie behielt nur eine Kutsche und einen Karren sowie Marguerite, eine junge Dienerin, die sich um Florimond kümmern sollte, drei Lakaien und zwei Kutscher bei sich. Im letzten Moment flehten der Perückenmacher Binet und der junge Violinenspieler Giovani sie an, sie ebenfalls mitzunehmen.
»Wenn der Graf in Paris auf uns wartet, wird er äußerst ungehalten sein, falls ich nicht mitkomme, das kann ich Euch versichern«, erklärte François Binet.
»Einmal Paris sehen! Oh, ich würde so gerne einmal Paris sehen!«, beteuerte der junge Musiker immer wieder. »Wenn ich dort die Bekanntschaft von Jean-Baptiste Lully, dem berühmten Balletttänzer des Königs, machen könnte, wird er mir bestimmt gute Ratschläge geben, und ich werde ein großer Künstler.«
»Na gut, dann steig auf, du großer Künstler«, gab Angélique schließlich nach.
Sie lächelte unerschütterlich und wahrte das Gesicht, indem sie sich fest an Péguilins Worte klammerte: »Es ist alles bloß ein Missverständnis.«
Und tatsächlich wirkte, abgesehen von der Tatsache, dass der
Graf de Peyrac mit einem Mal spurlos verschwunden war, alles unverändert. Man hörte nicht das geringste Gerücht darüber, dass er in Ungnade gefallen sei.
Die Grande Mademoiselle versäumte keine Gelegenheit zu einem freundschaftlichen Gespräch mit der jungen Frau. Und sie hätte sich nicht so verstellen können, denn sie war eine äußerst
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