Angélique - Am Hof des Königs
neuen Häuser gewohnt habe, die unter der Bedingung vermietet worden waren, dass jeder, der eines davon bezog, »garantieren musste, es neun Jahre zu behalten und pro Jahr zwanzig Gold-Ecus Miete zu zahlen«. Es war sehr reizvoll, auf dem Pont Notre-Dame zu wohnen. Zu den Neuerungen, die die Häuser auf der neuen Brücke aufwiesen, gehörten Hausnummern, römische Ziffern in Gold auf blauem Grund von 1 bis 68. Diese Neueinführung war ein Geniestreich, erklärte der Onkel, denn bereits dieser erste Versuch, die Wohngebäude von Paris zu nummerieren, bewies von Anfang an höchste Perfektion, indem eine Zweiteilung in gerade Hausnummern auf der einen und ungerade Nummern auf der anderen Seite vorgenommen wurde. Würden so schöne Errungenschaften dem königlichen Triumphzug standhalten können?
Den Pferden, den Karossen, den römischen Wagen und den unzähligen Maultieren des Kardinals Mazarin …
Würde die Neue Brücke halten?
Auf dem Blumenmarkt wurden Fässer mit Blütenblättern und grünen Zweigen gefüllt, die auf den Boden gestreut werden sollten.
Zwischen all den aufgeregten Menschen, die dem Einzug des Königs genauso gespannt entgegenfieberten wie sie selbst, fühlte sich Angélique weniger fremd und isoliert.
Ein Gedanke drängte sich ihr auf, der ihr selten in den Sinn gekommen war und den sie dem patriotischen Geist ihres Großvaters verdankte, der dem König in einem Gefühl des Respekts, aber auch des Vertrauens eng verbunden gewesen war. Hier, zwischen den künftigen Zuschauern der Zeremonie, die gerade vorbereitet wurde, äußerte sich das in jedem noch so einfachen Franzosen tief verwurzelte Gefühl, dass er sich unmittelbar an den König wenden und vor allem Hilfe suchend an seine Rechtsprechung appellieren konnte. So hatte es der heilige König Ludwig IX. gewollt, der sich einst unter eine Eiche setzte und befahl, jeden zu ihm vortreten zu lassen, der den Eindruck hatte, Opfer einer Ungerechtigkeit geworden zu sein.
Da dachte sie bei sich, dass auch sie beide, sie und Joffrey, trotz ihrer adligen Abkunft Untertanen des Königs von Frankreich waren und somit Anspruch auf jene Gerechtigkeit hatten, die er den Armen gegenüber walten ließ. Mehrmals kam ihr der unerschrockene Blick des jungen Monarchen in Erinnerung, der sie anschaute, ohne sie wirklich zu sehen, doch dann beruhigte sie die warmherzige Menge um sie herum, und sie fasste wieder Vertrauen. Diese Menschen glaubten an ihren König.
Während in Paris Sägen, Hämmer und Pinsel geschwungen wurden, erreichten Gerüchte über die Bewegungen des Hofes die Stadt und sorgten für immer neue Hoffnungen oder Enttäuschungen bei den Menschen, die auf das baldige Kommen
ihres Königs und den Beginn der prunkvollen Feierlichkeiten warteten.
Am 17. Juli erfuhr man, dass der König seine junge Gemahlin nach Vaux mitgenommen hatte, um ihr das Schloss zu zeigen, das seiner Meinung nach eines der anmutigsten und vollkommensten Bauwerke in der ganzen Provinz Île-de-France war. Der Besitzer dieses Schlosses, der Oberintendant der Finanzen Nicolas Fouquet, hatte ihn ein zweites Mal auf gewohnt galante, lächelnde Art und mit seiner prunkliebenden Gastfreundschaft empfangen.
Am 27. Juli erfreute Kardinal Mazarin seine Gäste in Vincennes mit einem Theaterstück, welches das Publikum in Entzücken versetzte, dem Werk eines begabten Autors, der unter dem Namen Molière bekannt war und für den sich sowohl der Kardinal als auch der König begeisterten. Nachdem der Hof in Fontainebleau ausgiebig gejagt und getanzt hatte, war er nun näher an Paris herangekommen. Vincennes war eine der ältesten und imposantesten Residenzen der französischen Könige. Das Schloss erinnerte eher an eine Festung, doch es bot genügend Platz, um eine große Gesellschaft aufzunehmen und sowohl für ihre Unterhaltung zu sorgen als auch ihre Sicherheit zu gewährleisten. Es gab dort weitläufige Gemächer, in denen fremde Gäste untergebracht werden konnten, und weniger große im mächtigen, kühnen Turm, der über dem Umland aufragte, die ganze Region bis Paris beherrschte und auch als Gefängnis für solche Gefangenen dienen konnte, denen man die gewöhnliche Bastille nicht zumuten wollte.
Am Rand des dichten Walds zu seinen Füßen, der an sich bereits einen Verteidigungswall gegen jede feindliche Armee darstellte, käme sie aus der Hauptstadt oder aus einer anderen Richtung, hatte sich der heilige König Ludwig IX. eines Tages unter eine Eiche gesetzt, um Recht zu
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