Angélique - Am Hof des Königs
geglaubt hatte, erforderte dieses feierliche Ereignis umfangreiche Vorbereitungen. Die Einzüge der Könige in Paris, unter welchem Vorwand auch immer sie die Zuneigung ihrer Bevölkerung wiedergewonnen haben mochten, waren stets Anlass für unvergessliche Feierlichkeiten und Vergnügungen.
Saint-Landry war eine Insel auf der Insel, und das trug dazu bei, Angélique allmählich wieder zur Ruhe kommen zu lassen.
Abends lauschte sie dem Rumoren der großen Stadt. Jenseits der Île de la Cité, auf der sie sich sicher fühlte, erstreckten sich zu beiden Seiten der Seine die vielfältigen Gesichter einer belebten, turbulenten Stadt namens Paris. Und irgendwo in ihren Mauern, zwischen all den Häusern, Gebäuden und Monumenten, war Joffrey.
Dank dem Advokaten Desgrez wusste sie inzwischen mit Gewissheit, dass Joffrey trotz seiner misslichen Lage im Gefängnis lebte. Deshalb sandte sie ihm eine Botschaft.
»Ich liebe dich.«
Es fiel ihr leichter, ihn in der Verschwiegenheit ihres Herzens zu duzen als in seiner faszinierenden Gegenwart, die sie so lange geängstigt hatte. Wenn sie die Augen schloss, durchlebte sie immer
wieder aufs Neue die Zeit, in der es ihm nach und nach gelungen war, sie in seinen Bann zu ziehen, bis sie schließlich besiegt war, wehrlos in ihrem eigenen Wunsch, ihm voll und ganz ausgeliefert zu sein.
Und wenn sie Hortenses gemurrte Bemerkungen über den Ruf »dieses Mannes« hörte, die sich ihre Schwester nicht verkneifen konnte, fiel es ihr schwer, ein Lächeln zu unterdrücken, so unermesslich erschien ihr die Kluft zwischen diesen beunruhigenden Beschuldigungen und der Wahrheit über den Mann, den sie im fernen Languedoc hatte herrschen sehen. Joffrey de Peyrac, ihr Gemahl, ihre große Liebe. Mit Schrecken ermaß sie den Abgrund, der zwischen diesen haltlosen Gerüchten und dem außergewöhnlichen Mann klaffte, den sie liebte und der mit seinen Liebkosungen so kunstvoll ihre Leidenschaft zu entfachen wusste. Sie erkannte, dass sie nie aufhören würde, neue Seiten an ihm zu entdecken. Er war gewaltig. Er wusste so viele Dinge. Er wusste einfach alles.
Und sie staunte darüber, dass sie tatsächlich die Liebe »dieses Mannes« geweckt hatte.
Sie konnte es kaum erwarten, endlich für seine Rettung kämpfen zu können.
Sich dem König zu Füßen zu werfen!
Wann würde Ludwig XIV. endlich nach Paris zurückkehren?
Der Juli neigte sich seinem Ende zu.
Bald würde der August beginnen, und der alte Onkel bemerkte, dass man den Hochsommer in diesem Jahr gar nicht spürte. Das lag nicht daran, dass der August sonst eine unerträglichere Hitze mit sich brachte, oft war es sogar angenehmer als im Juli, weil gelegentliche Gewitter Kühlung brachten. Aber normalerweise verließen im August all die Prinzen, Adligen und Bürger mitsamt ihrer gesamten Dienerschaft die Stadt und reisten zu ihren mehr oder weniger prächtigen Landsitzen, Schlössern
oder kleineren Herrenhäusern, manche bloß, um frischere Luft zu atmen, viele, um das Einbringen der Ernte auf ihren Ländereien zu überwachen, und alle, um fröhlich und ausgelassen am Flussufer oder nachts unterm Sternenhimmel zu tafeln.
Doch in diesem Jahr drängten in Erwartung des feierlichen Einzugs des Königs und der neuen Königin immer mehr ungeduldige Menschen nach Paris, und trotz der immer wieder aufs Neue Lügen gestraften Ankündigungen konnte sich die Menge nicht dazu durchringen, sich aufzulösen, aus Furcht, dieses einzigartige Schauspiel zu verpassen, das viel zu selten war, als dass man hoffen konnte, es zweimal in einem einzigen Leben zu sehen: den prunkvollen Einzug eines königlichen Paares in seine Hauptstadt.
Und trotz der allgemeinen Ungeduld wusste man genau, dass es irgendwann so weit sein würde. Irgendwann würde Ludwig XIV. mit der neuen Königin Maria Theresia von Österreich, die er von der spanischen Grenze zusammen mit einem Vertrag zurückbrachte, der den ewigen Frieden zwischen den beiden Nationen sicherte, in Paris einziehen.
Und man fügte sich darin, dass die Vorbereitungen wichtig waren und viel Zeit in Anspruch nahmen.
Der Advokat Desgrez war nicht mehr wiedergekommen.
Angélique wusste, dass vor dem Abschluss der großen Feierlichkeiten weder entscheidende Neuigkeiten noch Unterstützung zu erwarten waren. Doch untätig in Saint-Landry herumzusitzen und abzuwarten stellte ihre Geduld auf eine harte Probe.
Und Hortense verstand sich wirklich darauf, alles noch schwieriger zu machen. Es gelang ihr, selbst
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