Angélique - Am Hof des Königs
sehen, und diejenigen, die wieder herauskamen, um die Personen abzuholen, denen sie ihren Platz zuweisen sollten.
Angélique wurde durch das rege Treiben von Mademoiselle getrennt, als diese unvermittelt von zwei stattlichen, sehr ehrerbietigen Hidalgos ins Kircheninnere geführt wurde, die gekommen waren, um die »Verwandte von Monsieur Lenet« zu holen.
Das Warten zog sich in die Länge.
Die unbeschäftigten Priester plauderten mit den Französinnen, und Mme. de Motteville entsetzte sich wieder einmal über die Worte, die man im Schutz eines gnädigen Halbdunkels an sie richtete.
»Perdone. Déjeme pasar« 9 , sagte plötzlich eine raue Stimme dicht neben Angélique. Sie sah sich um, und als sie den Blick senkte, entdeckte sie eine seltsame Kreatur. Es war eine Zwergin, ebenso breit wie hoch, mit einem beeindruckend hässlichen Gesicht. Ihre kleine mollige Hand lag auf dem Hals eines großen schwarzen Windhunds. Hinter ihr folgte ein weiterer Zwerg, auch er in bunt verzierten Gewändern und einer Halskrause, aber im Gegensatz zu ihr zeigte sein Gesicht einen verschmitzten Ausdruck, und wenn man ihn ansah, musste man unwillkürlich lachen.
Die Menge teilte sich, um die beiden kleinen Geschöpfe und das Tier durchzulassen.
»Das ist die Zwergin der Infantin und ihr Narr Tomasini«, sagte jemand. »Anscheinend nimmt sie sie mit nach Frankreich.«
»Wozu braucht sie diese Knirpse? In Frankreich wird es genug anderes geben, über das sie lachen kann.«
»Sie behauptet, ihre Zwergin sei die Einzige, die ihre Zimtschokolade so zubereiten kann, wie sie es mag.«
Schließlich kam Lenet persönlich, um Angélique abzuholen. Anna von Österreich hatte Mademoiselle und ihre Begleiterinnen dem Sachwalter des Prinzen von Condé anvertraut, mit dem den Hof beinahe wieder die gleiche Freundschaft verband wie vor den Zeiten der Fronde.
Die Paläste, in denen der König von Spanien und die Infantin residierten, lagen in der Nähe der Kirche, aber da man auf dem Weg dorthin einen Höhenunterschied bewältigen musste, der einem oder zwei Stockwerken entsprach, fuhren sie in einer Kutsche vor.
Die Infantin saß zur Linken ihres Vaters.
Als der König von Spanien aus seiner Kutsche stieg, erhob sich ein bewunderndes Murmeln und breitete sich über die Menge aus wie das sanfte Zittern, das eine zarte Brise über Oberfläche eines Teichs laufen ließ.
Philipp IV. hatte an diesem Tag die Krempe seines Huts mit zwei der schönsten Juwelen aus dem Kronschatz festgesteckt: einem Tafeldiamanten von außergewöhnlicher Größe mit dem Namen »Spiegel Portugals« und einer Perle von einzigartiger Form, Größe und Glanz, die »La Pelegrina« genannt wurde.
»Das bedeutet sicher Pelerine«, wisperte Mademoiselle Angélique ins Ohr.
Bleich wie der Tod schritt der König von Spanien den Mittelgang hinauf, während das Tedeum gesungen wurde.
Die Infantin folgte ihm allein in einem reich bestickten Kleid aus weißem Satin. Aber die breite »guarda infantes« verlieh ihrer Gestalt etwas Bizarres und verunsicherte die Franzosen, die sich immer noch kein klares Urteil über die Frau bilden konnten, die bald ihre Herrscherin werden sollte. Ihre Camarera mayor, die Gräfin de Priego, trug die Schleppe dieses beeindruckenden Gewands.
Der König verneigte sich vor dem Altar mit »unnachahmlichem« Ernst, wie Mademoiselle später sagen würde.
Ihre Allerkatholischsten Majestäten traten auf ein in der Hauptkapelle aufgestelltes Podest, das mit prächtigen türkischen Teppichen bedeckt war. Der König und die Infantin nahmen neben dem Evangeliar Platz, während die Ehrendamen und -fräulein ein wenig abseits stehen blieben.
Auf der anderen Seite saß Don Luis de Haro auf einem mit tiefrotem Samt bezogenen Schemel. Die spanischen Granden nahmen hinter ihm in den Bankreihen Platz.
Nach den üblichen Gebeten, die zum Empfang der Könige gesprochen wurden, las der Bischof von Pamplona die Messe.
Nach einer Weile wurde die Herzogin unruhig und sah sich nach allen Seiten um, was die Aufmerksamkeit der Franzosen weckte, die nicht weit von ihr entfernt saßen.
Die Messe war bereits zur Hälfte vorbei, und in dem abgetrennten Bereich, in dem die Vermählungszeremonie vollzogen wurde, blieb ein Platz immer noch leer. Es war der des Bischofs von Fréjus, des einzigen Franzosen, der offiziell eingeladen war, da er an der Zeremonie beteiligt sein sollte. Er würde die Vollmacht überreichen, die Ludwig XIV. Don Luis de Haro erteilte, ihn bei der
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