Angélique - Am Hof des Königs
dem diese ihre Netze auslegten oder ihre Tänze aufführten, diese spanische Infantin würde die unsichtbare Grenze überschreiten, die die Wasser des Bidassoa teilte, und für immer am Horizont des französischen Königreichs entschwinden. Niemals würden sie sie wiedersehen.
Abschiedsrufe wurden laut.
Ihre Majestäten erreichten Fuenterrabía gegen sechs Uhr abends.
Die Stadt empfing sie mit zahlreichen Salutschüssen, während das Garderegiment mit Musketenfeuer darauf antwortete und den König grüßte, indem es seine Standarten senkte.
Es herrschte ein unvorstellbares Gedränge.
Zahllose Franzosen waren hastig vom anderen Ufer herübergekommen, sobald bekannt geworden war, dass die Verhandlungen zu einem Erfolg geführt hatten. Entfesselter denn je wanden sich die Tänzer in ihren ekstatischen schlangengleichen, akrobatischen Figuren.
Die Provinz Guipúzcoa hatte dem König den gleichen Dienst angeboten wie schon 1615, als man die Prinzessinnen ausgetauscht hatte, nämlich zehntausend Mann entlang der Grenze aufzustellen. Aber Philipp hatte das Angebot abgelehnt und aus Katalonien sechshundert Reiter und sein ebenfalls sechshundert Mann starkes Garderegiment kommen lassen. Sie standen unter
dem Befehl des Obristleutnants Pedro Nuño Colón de Portugal, des Herzogs von Veragua, Admiral und »Adelantado« von Westindien, eines direkten Nachfahren von Christoph Kolumbus. Ihre Uniformen bestanden aus einem gelben Reitrock mit zweifarbig kariertem samtenem Fransenbesatz. Auf Brust und Rücken war das Wappen des Königs aufgestickt, und auf ihren Schultern das Burgunderkreuz. Bewaffnet waren sie mit Piken und Musketen.
Jetzt wollte der spanische König keine Zeit mehr verlieren.
Gleich nach seiner Ankunft entschied er mitten im Trubel aus Tänzen und Musketensalven, dass die Zeremonie, bei der Maria Theresia auf ihr Erbe und alle Ansprüche auf die spanische Krone verzichten würde, noch am gleichen Abend stattfinden solle.
Um acht Uhr trafen die Zeugen ein: der Patriarch von Westindien Alonzo Pérez de Guzmán und der Staatssekretär Fernando de Fonseca Ruiz de Contreras, Marqués de la Lapilla. Letzterer erhielt den Auftrag, die beiden Schriftstücke zu verlesen, und der Patriarch würde den feierlichen Schwur der Infantin entgegennehmen.
Die Hochzeit durch Prokuration sollte am nächsten Tag, dem 3. Juni, in der Kirche von Fuenterrabía gefeiert werden.
3. Juni
Nach Bekanntwerden dieser überraschenden Entscheidung verbrachten Königin Anna von Österreich und ihre beiden Söhne einen Großteil der Nacht damit, die herrlichsten Geschenke zusammenzustellen, die sie auftreiben konnten, um sie der künftigen Königin von Frankreich zu senden.
Von ihrem Balkon aus bat Mademoiselle Angélique, sie zu begleiten, und verriet ihr, was sie über diese hektische Nacht erfahren hatte, zu der sie, zum Schaden aller, wie sie betonte, nicht hinzugebeten worden war.
»Ich habe nicht gesehen, was sich in der Schatulle befand. Es war eine recht große Truhe aus Calambac, einem stark duftenden Holz aus Amerika. Und sie haben die schönsten Dinge hineingelegt, die man sich nur vorstellen kann, bis auf die Kronjuwelen, die das Königreich niemals verlassen dürfen und die die Königinnen auch nicht als persönlichen Besitz erhalten … Jedenfalls hätten sie sich gar nicht so zu beeilen brauchen, um sie ihr heute schon bringen zu lassen, denn die Infantin darf ohnehin nichts annehmen, solange sie nicht verheiratet ist... Ich gestehe, dass ich zu gerne wüsste, was die Schatulle enthält.«
Während sie so vor sich hin plauderte, kleideten zwei Frauen sie fertig an und zupften ein recht nüchternes schwarzes Kleid zurecht.
»Ich werde an der Hochzeit in Fuenterrabía teilnehmen«, fuhr die Prinzessin energisch fort. »Gleich nachdem Philippe und ich gestern erfahren haben, dass Ihre spanischen Majestäten eingetroffen sind, haben wir uns vorgenommen, der Zeremonie beizuwohnen, um endlich den König von Spanien und die Infantin zu sehen. Der Kardinal hatte nichts dagegen einzuwenden, aber urplötzlich hat der König seinem Bruder diesen Besuch verboten. Er hat behauptet, in der umgekehrten Situation würde der spanische Thronerbe – und das ist Monsieur im Augenblick für Frankreich – auch nicht hinfahren, da er dazu fremden Boden betreten müsse.
Nicht einmal die spanischen Granden oder auch nur die bedeutendsten Adligen der Region hätten die Mühe auf sich genommen, den französischen Hof in Saint-Jean-de-Luz
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