Angélique - Am Hof des Königs
Faulkammer des Escorial wandern.«
»Das Letzte ist gestorben, während mein Vater in Madrid weilte, um die Hand der Infantin zu erbitten«, ergänzte Louvigny, einer der Söhne des Herzogs von Gramont. »Seitdem ist wieder eines geboren, aber sein Leben hängt am seidenen Faden.«
»Nein«, berichtigte ihn Graf de Saint-Amond, »das stimmt nicht ganz. Der Infant Felipe Próspero ist noch nicht tot. Er ist es, dessen Leben am seidenen Faden hängt. Er ist jetzt vier Jahre alt und überlebt immer noch nur dank der Milch seiner Amme. Die junge Königin Maria Anna von Österreich ist schon wieder schwanger. Das ist einer der Gründe, warum sie den König nicht auf diese Reise begleiten konnte. Alle hoffen auf einen gesunden Sohn.«
»Er wird sterben«, entgegnete der Marquis d’Humières, »und wer wird dann den Thron Karls V. erben? Die Infantin, unsere Königin.«
»Das sind allzu kühne Pläne, Marquis«, widersprach der Herzog von Bouillon pessimistisch.
»Woher wollt Ihr wissen, dass Seine Eminenz der Kardinal und vielleicht sogar Seine Majestät selbst nicht genau das für die Zukunft im Auge haben?«
»Ganz bestimmt haben sie das, aber allzu großer Ehrgeiz bekommt dem Frieden nicht gut.«
»Der Frieden! Der Frieden!«, brummte der Herzog von
Bouillon, die lange Nase dem Seewind entgegengereckt, als erschnupperte er einen verdächtigen üblen Geruch. »Ich sage Euch, es dauert keine zehn Jahre, bis er ins Wanken gerät!«
Angélique beobachtete, wie jemand kam, um Mlle. de Montpensier zu holen und sie in den Palast zu bringen, wo die Infantin, nun die Königin von Frankreich, speiste.
Die Menge war zu dicht, um hinter ihr herzueilen, und so zog sie es vor, draußen auf dem Platz zu warten. Der Anblick all der Uniformen und der Tänze war Ablenkung genug.
Als Mademoiselle sich später wieder zu ihr gesellte, strahlte sie vor Freude über ihre Begegnung mit der Tochter des spanischen Königs und jetzigen Königin von Frankreich.
Sie berichtete, dass man sie in den Raum geführt hatte, in dem diese zu Mittag aß, während ihre Damen und Zwerge ihr aufwarteten.
Als Mademoiselle vor ihrem Tisch angelangt war, hatte sie sich ein zweites Mal tief vor ihr verneigt, worauf Maria Theresia mit einem charmanten Lächeln geantwortet hatte, und da, erzählte Mademoiselle gerührt, »wirkte sie mit einem Mal so liebenswert und groß, dass ich nicht mehr daran zweifelte, dass sie allen Franzosen sehr gefallen würde«.
Während des Essens hatte die junge Königin häufig zu der Prinzessin hinübergeschaut, mit der sie nun verwandt war. Bevor sie den Raum verließ, war sie geradewegs auf Mademoiselle zugegangen und hatte voller Liebreiz und Anmut gesagt: »Un abrazo le quiero dar a escondidas.« 10 Beinahe unmittelbar nachdem sie sich in ihre Gemächer zurückgezogen hatte, war ihre Erste Kammerfrau zu Mademoiselle gekommen und hatte sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Königin nach ihr verlangte. Sie hatten auf viereckigen Kissen gesessen und vollkommen zwanglos miteinander geplaudert. Der Baron de Watteville hatte ihnen als Übersetzer gedient. Die Königin hatte Mademoiselle
gefragt, ob ihre Schwestern hübsch seien und ob sie ihnen in Saint-Jean-de-Luz begegnen würde... Es war offensichtlich, dass die junge Königin ein wenig ängstlich war und es ihr sehr viel bedeutete, dass sich an diesem Tag eine französische Prinzessin aus ihrer neuen Familie über die Etikette hinweggesetzt hatte, um an ihrer Seite zu sein und die Emotionen eines solchen Augenblicks mit ihr zu teilen.
Das sei ihr ein Herzensanliegen gewesen, würde Mademoiselle später sagen, auch wenn sie damit Anstoß beim spanischen Chronisten Leonardo del Castillo erregt hatte, der damit beauftragt war, den Ablauf der großen Feierlichkeiten gewissenhaft niederzuschreiben. Als glühender Verfechter des Protokolls machte er keinen Hehl aus seiner Missbilligung, welche von jener Feindschaft zwischen den beiden Nationen zeugte, die die Begegnungen auf der Fasaneninsel für die Zukunft zerstreuen sollten.
»Der Vermählung wohnte auch die Herzogin von Montpensier bei, Tochter des verstorbenen Herzogs von Orléans und Cousine ersten Grades des Allerchristlichsten Königs. Anschließend besuchte sie die Infantin in ihrem Palast und war zugegen, als Ihre Majestät speiste. Zwar war sie unerkannt gekommen, doch stellte sie sich offen zur Schau, sodass sie auch von allen erkannt wurde, und bewies damit jene Schamlosigkeit, mit der die Natur und
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