Angélique - Am Hof des Königs
ihn mit ihrem Fächer an.
Höflich küsste er ihr die Hand. Es war ein seltsames Gefühl, in der Öffentlichkeit dieses Spiel zu spielen und nicht nur ihre leidenschaftliche Liebe, sondern jede Empfindung bis hin zur schlichtesten und natürlichsten Zuneigung zu verbergen. Doch das gehörte zu den Konventionen der gesellschaftlichen Bühne.
Rings um sie herum plauderte man über Mode. Einige Franzosen machten sich aus Gewohnheit über die Spanier lustig.
Es war offenkundiger denn je, dass die Kleider der Spanier sehr eng an ihrem Körper anlagen, was für Männer durchaus kleidsamer war als ein Übermaß an Spitzen, und dass ihre aus sehr gutem Leder gefertigten Schuhe nicht den geringsten Absatz besaßen. »Sie sonnen sich so sehr im Gefühl ihrer eigenen Größe, dass sie nicht die Notwendigkeit sehen, diese durch ein kleines Holzstück noch zu steigern«, bemerkte Mme. de Motteville.
Um gerecht zu sein, fügte sie hinzu, müsse sie jedoch auch zugeben, dass die Breite und der Umfang der französischen Kleidung, die »canons« an den Strümpfen, die Spitzenmanschetten und die Halsbinden, die, nachdem sie einst nach »Art von Schmetterlingsflügeln« gebunden worden waren, inzwischen eher an Windmühlenflügel gemahnten, allmählich ein lächerliches Ausmaß erreicht hatten, und man dürfe sich nicht wundern, wenn die Spanier darüber spotteten. Trotzdem war diese Art, sich zu kleiden, sehr eindrucksvoll und passte gut zu der Festtagsstimmung, die sich nach und nach ausbreitete.
In diesem Land blieben die jungen, schönen Frauen zu Hause, erklärte jemand. Und den anderen verlieh die »guarda infantes« die nötige Erhabenheit, die ihr Rang erforderte.
In Angéliques Augen war Joffrey der eleganteste und außergewöhnlichste Mann von allen. Weder war er Spanier, noch gehörte er allzu sehr zum französischen Hof, und alle – vor allem die Damen – schauten ihn an, als sei er der fürstliche Abgesandte eines fernen Landes.
Erneut küsste er ihr die Hand, genau wie einigen anderen Damen, dann erklärte er, er habe eben den Mann entdeckt, den er hier treffen wolle, und ging davon.
Die Franzosen beschlossen, dem König von Spanien beim Mittagsmahl zuzusehen.
»Lasst uns in den Saal gehen. Dort wird gerade der Tisch gedeckt. Die spanische Etikette verlangt, dass der König von Spanien allein speist und dabei einem sehr komplizierten Zeremoniell folgt.«
Der Saal war mit Hautelisse-Tapisserien ausgekleidet, auf denen in stumpfen goldbraunen, gelegentlich von Rot und Graublau aufgelockerten Tönen die Geschichte des Königreichs Spanien dargestellt war. Das Gedränge war unbeschreiblich.
Doch plötzlich wurde es still.
Der König von Spanien hatte den Raum betreten. Angélique schaffte es, auf einen kleinen Hocker zu klettern.
»Er sieht aus wie eine Mumie«, flüsterte Péguilin.
Tatsächlich hatte das Gesicht von Philipp IV. die Farbe von Pergament. Erschöpftes, dünnflüssiges Blut verlieh seinen Wangen einen rosigen Hauch. Mit mechanischen Schritten trat er an seinen Tisch. Seine großen, trübsinnigen Augen blinzelten nicht ein einziges Mal. Über seinem vorstehenden Kinn leuchteten rote Lippen, die zusammen mit dem spärlichen kupferblonden Haar sein kränkliches Aussehen noch unterstrichen.
Währenddessen machte er, völlig durchdrungen von seiner beinahe göttlichen Größe, keine einzige Bewegung, die nicht den strikten Anforderungen der Etikette entsprach. Gelähmt von den Fesseln seiner Macht, saß er allein an seinem Tisch und aß, als zelebrierte er einen Gottesdienst, mit einem kleinen Löffel einen Granatapfel.
Immer noch mehr Menschen drängten in den Raum, und mit einem Mal wurden die ersten Reihen nach vorn geschoben. Fast hätten sie den Tisch des Königs umgeworfen.
Die Luft wurde so stickig, dass man kaum noch atmen konnte. Philipp IV. befiel ein Unwohlsein. Man sah, wie er eine Hand an die Brust hob und seine Spitzenkrause vom Hals wegzog, um mehr Luft zu bekommen. Doch fast im gleichen Augenblick
verfiel er wieder in seine übliche starre Haltung, ein gewissenhafter Schauspieler bis hin zum Martyrium.
»Kaum zu glauben, dass dieses Gespenst genauso leicht Nachwuchs zeugt wie ein Hahn«, sagte der unverbesserliche Péguilin de Lauzun, als das Mahl beendet war und sie wieder draußen standen. »Seine natürlichen Kinder greinen in den Gängen seines Palastes, und seine zweite Gemahlin bringt ununterbrochen mickrige Schwächlinge zur Welt, die von ihrer Wiege geradewegs in die
Weitere Kostenlose Bücher