Angelique Der Gefangene von Notre Dame
auf dem Friedhof der Unschuldigen Kinder statt. Sie würden wieder »ins
Becken spucken« müssen. Als wären die Zeiten nicht schon hart genug. Aber Rolin-le-Trapu ist ein groÃer Fürst, und es ist nur recht und billig, ihm Tribut zu zahlen.
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Auf der Place Royale duelliert man sich unter einem Balkon, während unter einem anderen ein Ständchen gesungen wird.
Artémise, Roxane, Glycérie und Crisolie, die schönen Preziösen aus dem Marais-Viertel, lehnen sich verzückt aus dem Fenster.
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Im Hôtel de Beauvais in der Rue du Faubourg Saint-Antoine öffnet die einäugige Cateau ihr Lager einem muskulösen Jüngling. Er ist glatt wie Elfenbein und sein Kinn gerade erst von blondem Flaum bedeckt. Das ist perfekt. Aus diesem unbeholfen herumtollenden Welpen wird sie einen weiteren groÃen Liebhaber machen. AuÃerdem ist er noch nicht zu ehrgeizig. Wehmütig denkt Madame de Beauvais an Guise, der sie so viel gutes Geld gekostet hat, und an den Marquis dâOlonne, der vergangenen Monat geheiratet hat.
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Das erinnert sie an die grausame Parodie der Carte du Tendre , die dieser abscheuliche Bussy-Rabutin, den alle für so geistreich halten, über sie verfasst hat:
» Zwischen Olonne und Guise liegt Beauvais-la-Charogne 14 , eine kleine, in einer Senke gelegene Stadt, wo man das Tageslicht nur zur Hälfte sieht. Die Bauwerke dieser Stadt sind äuÃerst unansehnlich. Dennoch wird man sich nicht verwundern, zu hören, dass trotzdem zahlreiche hochgeborene, verdienstvolle Menschen dort Station gemacht haben, wenn man weiÃ, dass dieser Ort an der wichtigsten StraÃe nach Doña Anna lag, wo während der Bauzeit von Fort-Louis sämtlicher Handel betrieben wurde.
Aber seit dieses Fort fertiggestellt wurde, wird Beauvais nicht
mehr von angesehenen Persönlichkeiten regiert, sondern von Leuten minderer Qualität, die die Stadt dort aushält, obwohl sie selbst der Mühe nicht mehr wert ist. Dennoch achten diese Leute sorgfältig darauf, die Artillerie in Schuss zu halten ...«
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Madame de Beauvais hat darüber aus ihrem einen Auge bittere Tränen vergossen, und Ludwig XIV. hat den Verfasser des boshaften Pamphlets zum dritten Mal in die Bastille geschickt.
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Nicht weit von ihr entfernt schläft das massige Gefängnis und sieht dabei aus wie ein riesiger Walfisch auf dem Grund des dunklen Meeres.
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Die Soldaten oben auf den Mauern schniefen, denn es ist kalt, und der Mond spiegelt sich in den kleinen bronzenen Kanonen. In den unterirdischen Verliesen besuchen rotäugige Ratten die vergessenen Gefangenen. Weiter oben, in der mit Teppichen und Wandbehängen ausgestatteten Zelle, in der er aufgrund eines persönlichen Verhaftungsbefehls des Königs gelandet ist, verfasst Bussy-Rabutin einen in Alexandrinern gehaltenen Brief an den Herrscher, in dem er ihn um Gnade bittet, während seine Cousine, Madame de Sévigné, in ihrem prächtigen Haus im Temple an ihn schreibt:
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» Nun seid Ihr also im Gefängnis, mein armer Lieber. Ich habe heute Eure Tochter gesehen. Sie ist so geistreich, als sähe sie Euch jeden Tag, und so weise, als sähe sie Euch nie ...«
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In der Rue des Tournelles schreibt Ninon de Lenclos an Madame de Sévigné, um ihr Madame Scarron zu empfehlen:
»... Sie ist eine bescheidene Frau, die Ihr in Eurem Haushalt nutzen könnt, um Anweisungen an die Kammermädchen und Knechte zu überbringen. Unglücklicherweise ist sie schön
wie ein Engel und so geistreich, dass es einem die Sprache verschlägt. Daher will keine Frau sie haben, aus Furcht, alle Männer könnten sie haben wollen...«
Nachdem sie den Brief mit rotem Wachs versiegelt hat, streckt sich die Kurtisane und gähnt. Kann es tatsächlich sein, dass dieser fürchterliche Marquis de Saucourt, der mit seinem fröhlichen Gesicht und seinem stürmischen Verlangen die Gunst aller Frauen gewonnen hat, die schöne Ninon de Lenclos verschmäht? Es ist schon spät, und er ist noch nicht da. Dabei hätte sie so gern diese wilde Frucht gekostet. Saucourt ist erst vor kurzem in Paris eingetroffen, aber er hat sich rasch einen Ruf als leidenschaftlicher Faun erworben. Zwar stottert er, aber im Alkoven ist er von so unbeherrschter Kühnheit, dass es den Frauen beinahe Angst macht. Ninon erschauert vor Furcht und Begehren.
Sie geht in ihr Badekabinett, wo ein Zuber auf sie
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