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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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unterstand.
    Â»Mein Kind«, erklärte er ohne Umschweife, »ich muss Euch im Auftrag des Großpriors mitteilen, dass Ihr nicht länger im Temple bleiben könnt. Ihr wisst, dass er nur denjenigen seinen Schutz gewährt, deren Ruf dem hohen Ansehen seines kleinen Fürstentums nicht schadet. Deshalb müsst Ihr gehen.«

    Angélique öffnete schon den Mund, um ihn zu fragen, was man ihr denn vorwarf. Dann kam ihr der Gedanke, sich dem Großprior zu Füßen zu werfen. Doch schließlich fielen ihr die Worte des Königs wieder ein: »Ich will nie wieder etwas von Euch hören!«
    Â 
    Man wusste also, wer sie war! Vielleicht fürchtete man sie immer noch... Sie verstand, dass es sinnlos wäre, die Jesuiten um Hilfe zu bitten. Sie hatten ihr treu zur Seite gestanden, als es noch etwas zu verteidigen gab. Aber jetzt waren die Würfel gefallen. Man würde diejenigen, die sich, wie Raymond, in dieser misslichen Angelegenheit kompromittiert hatten, eine Weile von allem fernhalten.
    Â»Gut«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich werde den Bezirk noch heute Abend verlassen.«
    Â»Ich weiß, dass Ihr Eure Miete bezahlt habt«, entgegnete der Amtmann, der sich an das Geld erinnerte, das sie ihm zugesteckt hatte, als Kouassi-Bas Besuch für so viel Aufregung gesorgt hatte. »Man wird Euch die ›Auszugssteuer‹ erlassen.«
    Â 
    Zurück in ihrem Zimmer, packte sie die wenigen Sachen, die ihr noch geblieben waren, in eine kleine lederne Tasche, wickelte die beiden Kinder warm ein und lud alles auf den kleinen Handkarren, der ihr bereits bei ihrem ersten Umzug gute Dienste geleistet hatte.
    Die Witwe Cordeau war zur Markthalle gegangen. Angélique ließ eine kleine Geldbörse für sie auf dem Tisch zurück.
    Sie nahm sich vor, zurückzukommen und sich großzügiger zu erweisen, wenn sie wieder etwas mehr Geld zur Verfügung hätte.
    Â 
    Â»Gehen wir spazieren, Maman?«, fragte Florimond.
    Â»Wir gehen zurück zu Tante Hortense.«

    Â»Ist Baba auch da?«
    So hatte er früher Barbe genannt.
    Â»Ja.«
    Er klatschte vor Freude in die Hände und schaute sich begeistert nach allen Seiten um.
    Â 
    Während Angélique ihren Karren durch die Straßen schob, wo sich der Schmutz mit dem geschmolzenen Schnee vermischte, betrachtete sie die kleinen Gesichter ihrer beiden Kinder, die unter der Decke eng aneinandergeschmiegt dalagen, und das Schicksal dieser zarten Geschöpfe lastete bleischwer auf ihren Schultern.
    Der Himmel über den Dächern war wolkenlos. Trotzdem würde es in dieser Nacht nicht frieren, denn seit ein paar Tagen war es wieder milder, und die Armen schöpften an ihren feuerlosen Herden neue Hoffnung.
    Â 
    In der Rue de l’Enfer stieß Barbe einen freudigen Schrei aus, als sie Florimond erkannte. Das Kind streckte die Arme nach ihr aus und küsste sie stürmisch.
    Â»Mein Gott, mein Engelchen«, stammelte die Magd.
    Ihre Lippen zitterten, und ihre weit aufgerissenen Augen füllten sich mit Tränen. Sie starrte Angélique an wie ein aus dem Grab auferstandenes Gespenst. Verglich sie die Frau mit dem eingefallenen, harten Gesicht, die ärmlicher gekleidet war als sie selbst, mit der Dame, die ein paar Monate zuvor an der Tür geläutet hatte?
    Angélique fragte sich, ob Barbe von ihrem Dachfenster aus das Feuer auf der Place de Grève gesehen hatte …
    Von der Treppe her kam ein erstickter Ausruf, und sie drehte sich um.
    Hortense stand da, einen Leuchter in der Hand. Sie wirkte vor Entsetzen wie erstarrt. Hinter ihr erschien Fallot de Sancé auf
dem Absatz. Er hatte keine Perücke auf und trug einen Schlafrock und eine bestickte Mütze, denn an diesem Tag hatte er Medizin einnehmen müssen. Sein Mund öffnete sich vor Schreck, als er seine Schwägerin erblickte.
    Nach einer schier endlosen Stille gelang es Hortense, einen starren, zitternden Arm zu heben.
    Â 
    Â»Geh weg!«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Deine verfluchte Familie hat schon zu lange unter meinem Dach gelebt.«
    Â»Sei doch still, du Närrin«, erwiderte Angélique schulterzuckend.
    Sie ging auf die Treppe zu und schaute zu ihrer Schwester auf.
    Â»Ich werde gehen«, sagte sie. »Aber ich bitte dich, diese beiden unschuldigen Kinder aufzunehmen. Sie können dir bestimmt nicht schaden.«
    Â»Geh weg!«, wiederholte Hortense.
    Angélique wandte

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