Angelique Der Gefangene von Notre Dame
Schönheiten wacht, eilends den Zugang verwehrt.
Seiner Majestät blieb nichts anderes übrig, als kläglich den Rückzug anzutreten, doch gleich nach seiner Rückkehr hat er in seinem Kabinett den GroÃen Galanten Rat zusammengerufen, der sich aus Péguilin, dem Marquis de Guiche, dem Marquis de Vardes und seinem Kammerdiener Bontemps zusammensetzt.
Péguilin kennt die Ãrtlichkeiten gut. Er erklärt, der einzige Zugang zu den Gemächern der Schönen führe zuerst über die Dachrinne und dann durch den Kamin eines ungenutzten Kabinetts, in dem nie ein Feuer angezündet wird.
»Ich sehe mich schlecht auf dieser galanten Bühne«, seufzt der König verlegen.
Doch Péguilin macht ihm Mut.
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Und schlieÃlich klettert der GroÃe Rat durch ein Lukarnenfenster aufs Dach. Der Weg ist weder breit noch sicher, aber heute hat die Sonne den Schnee von allen Dächern geschmolzen.
»Gebt acht, dass Ihr nicht stolpert, Sire.«
»Es geht, es geht«, antwortet der Herrscher. »Ich nehme meine Schuhe in die Hand, das ist sicherer.«
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»Eure Majestät wird sich in der feuchten Dachrinne einen Schnupfen holen«, klagt Bontemps mit einem Seufzen.
»Wenn wir nachher wieder in meinem Kabinett sind, essen wir eine geröstete Brotscheibe mit Wein.«
»Jetzt geht es über das Schieferdach weiter bis an den Kamin«, erklärt Guiche, der die Vorhut bildet.
»Teufel noch eins«, knurrt der König und klammert sich fest.
»Und das ist noch nicht einmal das Schlimmste«, spottet Vardes, während er bereits vorsichtig eine Strickleiter in den Kamin hinablässt.
»Nur Mut, Sire«, fordert ihn der quirlige Péguilin auf. »Der Moment für den Sturmangriff ist gekommen. Ich werde als Erster in die Festung eindringen.«
»Meinetwegen, aber richtet Euch dort ja nicht als Sieger ein.«
»Keine Sorge, Sire, ich werde warten, bis Ihr Euer Quartier bezogen habt.«
»Ich bleibe hier oben auf den Mauern«, sagt der Marquis de Vardes. »Es kann nicht schaden, wenn auÃer Bontemps noch jemand die Leiter hält.«
Péguilin de Lauzun, der schon fast ganz im Kamin verschwunden ist, streckt seine gascognische Nase wieder heraus.
»Ach ja, seit Vardes Soissons erobert hat, begnügt er sich mit dieser einen Festung.«
»Und das, obwohl sie jedem Reisenden Tür und Tor öffnet«, ergänzt der König.
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Der Marquis wartet, bis sein erhabener Herr verschwunden ist, ehe er mit den Schultern zuckt. Zusammen mit Bontemps hält er die ruckende Strickleiter. Der Mond verschwindet hinter einer Wolke, es ist stockfinster. Vardes fletscht die Zähne wie ein Hund kurz vorm ZubeiÃen.
»Ach, die Soissons, diese Hure...!«, knurrt er vor sich hin.
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Warum kann er bloà die andere nicht vergessen, die Frau mit den grünen Augen... Eine göttliche Haut! Das hat er bei der viel zu kurzen Umarmung gespürt, die er ihr aufgezwungen hat. Die warme Furche ihrer Wirbelsäule, die Krümmung ihrer Lenden, über die ein seidiger Schauer lief!
Die Erinnerung an diesen flüchtigen Moment lässt ihm keine Ruhe, und sie ist auch der Grund dafür, dass ihn dieser alberne Ausflug heute nicht lockt.
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In Wahrheit erwartet Mademoiselle de La Motte Seine Majestät gar nicht; und noch weniger erwartet das andere Ehrenfräulein, das mit ihr die Gemächer teilt, Péguilin, der nicht einmal ihren Namen kennt.
Aber es gibt nichts SüÃeres und Gefügigeres als die Ehrenfräulein. Nur kurz presst Mademoiselle de La Motte eine Hand auf den Mund, um einen Aufschrei zu ersticken, als sie ihren königlichen Geliebten, schwarz wie ein Kaminkehrer, plötzlich vor sich stehen sieht.
Kein Geschrei, nicht einmal der kleinste Ausruf ist zu hören. Vergessen wir nicht, dass man hinter der Tür auf der linken Seite Madame de Navailles schnarchen hört, und hinter der letzten Tür rechts liegt das Zimmer der Königin.
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Die Königin liegt allein in ihrem groÃen Bett. Sie wartet auf den König und versucht, den Schlaf zu verscheuchen, der sie zu überwältigen droht. Der König arbeitet immer bis spät in die Nacht.
Die Infantin Maria Theresia hat das Gefühl, als verbringe sie ihre gesamte Zeit damit, auf ihn zu warten. Dabei ist er ein sehr aufmerksamer Ehemann, und der schönste, den man sich nur wünschen kann.
Maria Theresia richtet
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