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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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hinaufritten. Vielleicht dachte Gontran gerade an die alte Kutsche zurück, in der sich die drei staubbedeckten kleinen Mädchen drängten.
    Â»Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe«, sagte er, »warst du mit Hortense und Madelon auf dem Weg ins Ursulinenkloster in Poitiers.«

    Â»Ja. Madelon ist gestorben, hast du davon gehört?«
    Â»Ja, das habe ich.«
    Â»Erinnerst du dich noch an das Porträt, das du vom alten Guillaume gezeichnet hast?«
    Â»Der alte Guillaume ist tot.«
    Â»Ja, ich weiß.«
    Â»Sein Porträt habe ich immer noch. Und ich habe noch ein schöneres gemalt... aus dem Gedächtnis. Ich werde es dir später zeigen.«
    Er hatte sich auf die Bettkante gesetzt und die rauen Hände auf die lederne Schürze gelegt. Sie waren mit roten und blauen Farbflecken übersät, angegriffen von den chemischen Materialien, mit denen er seine Farben herstellte, und schwielig vom Stößel, mit dem er von morgens bis abends in seinem Mörser Mennige, Ocker und Bleiglätte zerstampfte, die anschließend mit Ölen oder Salzgeist vermischt wurden.
    Â»Ach, Gontran, wie bist du nur in diesen Beruf geraten?«, fragte Angélique mit einem Hauch von Mitleid in der Stimme.
    Gontran rümpfte seine empfindliche Nase – die Sancé-Nase -, und seine Stirn umwölkte sich.
    Â»So ein Unsinn!«, erklärte er ohne Umschweife. »Wenn ich hierher geraten bin, wie du es ausdrückst, dann nur, weil ich es so gewollt habe. Mein Latein lässt nichts zu wünschen übrig, und die Jesuiten haben keine Mühe gescheut, um aus mir einen Adligen zu machen, der den Namen der Familie weitergeben kann, nachdem Josselin nach Amerika geflohen und Raymond in die Gesellschaft Jesu eingetreten ist. Aber auch ich hatte meinen Traum. Ich habe mich mit unserem Vater überworfen, als er von mir verlangte, in die Armee einzutreten und dem König zu dienen. Er sagte, er werde mir keinen Sol geben. Also habe ich mich zu Fuß auf den Weg gemacht wie ein Bettler und bin in Paris ein Handwerker geworden. Meine Lehrzeit ist bald vorüber. Dann werde ich auf die Wanderschaft gehen. Ich werde
von Stadt zu Stadt ziehen und alles lernen, was es dort in den Berufen des Malers oder Graveurs zu lernen gibt. Um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, werde ich mich bei Malern verdingen oder Porträts von Bürgersleuten anfertigen. Und später werde ich einen Meisterbrief erwerben. Ich bin mir sicher, Angélique, eines Tages werde ich ein großer Maler! Und vielleicht werde ich irgendwann beauftragt, die Decken des Louvre auszumalen …«
    Â»Dann male dort die Hölle voller Feuer und Fratzen schneidender Teufel!«
    Â»Nein, ich werde die ganze Decke blau ausmalen wie den Himmel und darauf sonnenbeschienene Wolken, zwischen denen der König in seinem ganzen Glanz erstrahlt.«
    Â»Der König in seinem Glanz...«, wiederholte Angélique mit leiser, matter Stimme.
    Â 
    Sie schloss die Augen. Mit einem Mal fühlte sie sich älter als dieser junge Mann, der zwar einige Jahre vor ihr zur Welt gekommen war, aber sich die ganze Kraft seiner kindlichen Leidenschaft bewahrt hatte. Gewiss, er hatte gefroren und Hunger gelitten, er war gedemütigt worden, aber niemals hatte er von dem Ziel abgelassen, seinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.
    Â»Und was ist mit mir? Willst du mich nicht fragen, wie ich hierher geraten bin?«
    Â»Ich wage es nicht, dich zu fragen«, antwortete er verlegen. »Ich weiß doch, dass du gegen deinen Willen mit einem schrecklichen, furchterregenden Mann vermählt worden bist. Unser Vater frohlockte wegen dieser Heirat, aber wir hatten alle Mitleid mit dir, meine arme Angélique. Warst du sehr unglücklich?«
    Â»Nein. Jetzt bin ich unglücklich.«
    Sie zögerte, ihm mehr anzuvertrauen. Warum sollte sie diesen Jungen beunruhigen, den außer seiner wunderbaren Arbeit
kaum etwas zu interessieren schien? Wie oft hatte er in den letzten Jahren an seine kleine Schwester Angélique gedacht? Bestimmt nur selten, höchstens, wenn er wieder einmal bedauerte, das Grün der Blätter nicht richtig wiedergeben zu können. Obwohl er fest in ihren Familienkreis eingebunden gewesen war, hatte er die anderen nie wirklich gebraucht.
    Â»Hier in Paris wohne ich bei Hortense«, sprach sie weiter, um in ihrer eisesstarren Seele wieder ein wenig geschwisterliche Wärme zu

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