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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Pfosten lag, dessen Vorhänge aus grüner Serge dieses grünliche Licht hindurchschimmern ließen, das sie an die Ufer des Flusses bei Monteloup erinnert hatte.
    Sie war nicht bei Hortense in der Rue de l’Enfer. Aber wo war sie dann?
    Ihre Erinnerungen blieben verschwommen. Sie hatte lediglich das Gefühl, eine riesige, finstere Masse hinter sich herzuschleifen, ein grauenvolles Drama aus schwarzem Gift, blitzenden Schwertern, Angst und klebrigem Schlamm.
    Â 
    Wieder erklang Gontrans Stimme.
    Â»Niemals, niemals wird jemand das Grün des Wassers unter dem Blätterdach finden.«
    Diesmal hätte Angélique um ein Haar aufgeschrien. Sie war verrückt geworden, daran gab es keinen Zweifel! Oder schrecklich krank...?
    Sie richtete sich auf und schob die Bettvorhänge zur Seite.
    Der Anblick, der sich ihr bot, überzeugte sie vollends davon, dass sie den Verstand verloren hatte.
    Vor ihr lag auf einer Art Podest eine halbnackte blonde, rosige Göttin, die in einem Korb aus geflochtenem Stroh üppige goldene Weintrauben darbot, deren wuchernde Ranken sich über
samtene Kissen ergossen. Ein wunderschöner nackter, pausbäckiger kleiner Amor mit einer schief sitzenden Blütenkrone auf dem blonden Haar pflückte eifrig einzelne Beeren ab. Plötzlich nieste der kleine Gott mehrmals. Die Göttin musterte ihn besorgt und sagte ein paar Worte in einer fremden Sprache. Das musste die Sprache des Olymps sein.
    Im Raum bewegte sich etwas, und ein bärtiger Riese trat auf Amor zu, nahm ihn auf den Arm und hüllte ihn in einen wollenen Mantel. Gekleidet war er wie ein Handwerker dieses Jahrhunderts.
    Gleichzeitig entdeckte Angélique die Staffelei des Malers Van Ossel. Daneben stand ein Gehilfe mit lederner Schürze. Er hielt mehrere Paletten in der Hand, auf denen bunt gemischte Farbtupfer leuchteten.
    Mit leicht geneigtem Kopf betrachtete er das unvollendete Gemälde des Meisters. Ein bleiches Licht fiel auf sein Gesicht. Er war ein kräftiger mittelgroßer junger Bursche von recht normalem Äußeren in einem Hemd aus grobem Tuch, aus dem ein gebräunter Nacken hervorschaute. Das kastanienbraune Haar fiel ihm unordentlich geschnitten bis auf die Schultern und verdeckte halb die dunklen Augen. Doch diese schmollenden Lippen, die rebellische Nase und das gutmütige, etwas schwere Kinn, das sie an ihren Vater, den Baron Armand, erinnerte, hätte Angélique unter Tausenden wiedererkannt.
    Â»Gontran!«, rief sie.
    Â»Die Dame ist aufgewacht!«, antwortete die Göttin.
    Gleich darauf drängte sich die ganze Schar, zu der sich noch fünf oder sechs Kinder gesellten, um ihr Bett.
    Der Malergehilfe wirkte verblüfft. Bestürzt musterte er die lächelnde Angélique. Dann verfärbte sich sein Gesicht plötzlich tiefrot, und er griff mit seinen farbbeklecksten Fingern nach ihrer Hand.
    Â»Meine Schwester!«, flüsterte er leise.

    Die üppige Göttin, die in Wahrheit die Frau des Malers Van Ossel war, rief ihrer Tochter zu, sie solle das mit Zucker und warmem Wasser geschlagene Eigelb bringen, das sie in der Küche vorbereitet hatte.
    Â»Es freut mich sehr«, sagte der Holländer, »dass ich nicht nur einer in Not geratenen Dame, sondern darüber hinaus der Schwester meines Gesellen einen Dienst erweisen konnte.«
    Â»Warum bin ich überhaupt hier?«, wollte Angélique wissen.
    Mit seiner schleppenden Stimme erzählte der Holländer, wie sie am vergangenen Abend von lautem Klopfen an der Tür geweckt worden waren. Im Schein der Kerze hatten italienische Komödianten in bunten Satinkostümen ihnen eine ohnmächtige, blutende, halb tote Frau hingehalten und sie angefleht, die unglückliche Verfolgte zu retten.
    Â»Sie ist uns willkommen!«, hatte die bedächtige holländische Stimme darauf geantwortet.
    Sie hatten die Verletzte aufgenommen, ihre Wunde verbunden und sie gepflegt. Bei ihnen hatte sie nichts zu befürchten. Wer würde sie schon bei einem Maler im Louvre suchen? Am Morgen hatten sie ihrem Gesellen, der nicht bei ihnen wohnte, von der verletzten Frau erzählt, die sie versteckten. Auch er würde nichts verraten …
    Â 
    Gontran und Angélique schauten sich verlegen an.
    Wie viele Jahre waren vergangen, seit sie sich bei der Ankunft in Poitiers voneinander verabschiedet hatten? Angélique sah wieder Raymond und Gontran vor sich, die die steil ansteigenden Gässchen

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