Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
Hugenotte, aber er ist ein Mann unserer Zeit … und er kennt sich mit Maultieren aus …«
Ihm gingen die Argumente aus, und er verstummte.
Angélique hatte ihm aufmerksam zugehört.
Sie nickte mehrmals mit zustimmendem Lächeln und begann ihre Leckerei zu essen. Sie hütete sich aus zwei Gründen, weiter nachzufragen. Zum einen beschlich sie die Sorge, ihr Vater könnte verbieten, dass ihnen noch mehr von diesen kleinen blauen Büchern und den schönen Almanachen ins Haus kamen, die voller Bilder von Monden, Sternen und Sonnen waren, voller volkstümlicher Weisheiten und Sinnsprüche, voller Legenden und Wunder, und in denen die Monate eines jeden Jahres als mit den wundervollsten Verheißungen beladene blumengeschmückte Wagen dargestellt waren.
Und außerdem entsprach die etwas naive Antwort des Barons
genau dem, was sie von ihm hatte hören wollen. Sie teilte seine Ansicht. All diese Beschuldigungen und Klagen über zerbrochene Statuen und geschändete Reliquien betrafen sie nicht mehr. Es gab im Leben Wichtigeres zu tun, als immer wieder darauf herumzureiten – Maultiere zu züchten, beispielsweise …
Der Baron war über sich selbst erstaunt, dass er auf Angéliques direkte Fragen eine so klare Position bezogen hatte. Und im Grunde war ihm erst durch das Gespräch mit ihr bewusst geworden, dass es für sein Widerstreben, ein Abkommen mit einem Anhänger der Reformierten Religion zu schließen, keine anderen ernsthaften Gründe gab als die alten Reflexe überkommenen Grolls, die noch aus den entsetzlichen Religionskriegen des vergangenen Jahrhunderts stammten. Bruderkriege, in denen sich beide Seiten gleich schrecklicher Verbrechen und Gräueltaten schuldig gemacht hatten, wenn man etwas genauer hinsah.
Angélique knabberte weiter ihre klebrigen, grünen süßen Stängelchen. Nach einer Weile war sie völlig verschmiert, sah dabei aber so zufrieden und sorglos aus, dass er ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. Sie war noch ein Kind. Zum Glück! Angélique sang leise vor sich hin und blickte hinauf zum Blätterdach. Er war überrascht von der Farbe und der außergewöhnlichen Klarheit ihrer Iris.
Sie hat tatsächlich grüne Augen, dachte er.
Alle glaubten, sie wäre sein Liebling, weil sie die Hübscheste von allen war, und das sei der Grund, warum er sie auf seine Ausritte mitnähme. Aber so war es nicht. Sie selbst war schon als ganz kleines Kind zu ihm gerannt und hatte ihn angefleht, sie vor sich aufs Pferd zu nehmen. In Wahrheit war sie die Einzige von all seinen Kindern, die sich dafür zu interessieren schien, was er, der Vater, sagte, ob es dabei nun um Maultiere ging oder um seine ewigen Geldsorgen. Stets bemühte sie sich, ihn zu verstehen.
Wenigstens sie begreift, was ich ihr erkläre..., dachte ihr Vater bei sich, während er zusah, wie sie von einem Fuß auf den anderen hüpfte und dabei die Melodie einer Bourrée vor sich hin summte. Und das, obwohl sie noch so jung ist.
Sie würde ihm fehlen, wenn sie ins Kloster gehen würde, falls er tatsächlich mit Molines ins Geschäft kommen sollte. Aber wenigstens brauchte er sich dann keine Sorgen mehr um ihre Erziehung und Ausbildung zu machen.
Und auch Angélique war mit dem Verlauf der Unterhaltung zufrieden. Sie hatte ihren Vater schon lange nach seiner Meinung über diese Dinge fragen wollen, und jetzt war sie beruhigt.
Es wäre eine gute Sache, wenn er mit Molines zusammenarbeiten würde. Der Verwalter der Plessis-Bellières kannte sich mit so vielen Dingen aus und vermittelte den Eindruck, als wüsste er, was alle anderen, Reiche und Arme, Katholiken und Protestanten, Adlige und Bauern, dachten. Er war der eigentliche Herr dieses Landstrichs.
Und ohne je den Anschein zu erwecken, war er auch der Herr dieser gedankenlosen Grundherren, in deren Diensten er stand, jener närrischen Höflinge aus Paris, der Plessis-Bellières, die so selten ihr wunderschönes weißes Traumschloss besuchten, das sich im Seerosenteich spiegelte.
Kapitel 5
I m Mai stecken sich in diesem Landstrich die jungen Burschen eine grüne Ähre an den Hut, die Mädchen schmücken sich mit Flachsblüten, und gemeinsam ziehen sie los zum Tanz um die Dolmen, jene großen Steintische, die in alten Zeiten in den Feldern aufgestellt wurden. Auf dem Rückweg verteilen sich die Pärchen über die Wiesen und das nach Maiglöckchen duftenden Unterholz.
Im Juni verheiratete der alte Saulier seine Tochter, und es wurde ein großes Fest gefeiert. Er war der einzige Pächter
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