Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
diesem Jahr blieb der Hausierer aus, und Angéliques heftige Reaktionen wurden schwächer wie ein Bild, das allmählich verblasst.
Ohne ihre regelmäßigen Ausflüge in die Sümpfe zu vernachlässigen, ging sie von da an häufiger zu Mélusine. Manchmal dachte sie, dass die Frau, die sie dort in den Tiefen der Erde besuchte, gar kein menschliches Wesen sei, sondern vielmehr eine Art Engel, der ihr in Zeiten größter Verzweiflung Beistand versprochen hatte.
Von diesem Tag an bemühte sie sich, so viel wie möglich über die vielfältigen Schätze zu lernen, die von den Wurzeln der Bäume bis hinauf in die Wipfel ihrer majestätischen Kronen enthalten waren, in den Gräsern auf den Wiesen und entlang
der Bachläufe und vor allem im Reichtum der wimmelnden Welt der Hecken, die die Wiesen dieser Gegend umschlossen. Schätze, die durch ihre den gewöhnlichen Sterblichen verborgenen Eigenschaften Macht über das Leben und das Glück verliehen.
»Ich habe dir gesagt, dass ich dich alle Geheimnisse lehren werde, damit die Liebe dir nicht zum Feind wird.«
Und sie zeigte ihr die Pflanzen, die bei der Niederkunft halfen, aber auch jene, die vor einem Kind bewahrten. »Vor allem wenn es mit Gewalt gezeugt wurde … denn viel zu oft ziehen Soldaten durch die Lande! Wir brauchen keine verfluchten Kinder«, erklärte Mélusine.
Undeutlich ahnte Angélique, dass das, was Mélusine ihr beibrachte, sie vor den heimtückischen Fallen bewahren konnte, die bereits jetzt aufgestellt waren, um sie ins Verderben zu stürzen. Wenigstens offenbarte ihr die Hexe zu ihrer Verteidigung alle Möglichkeiten, die die geheimnisvolle, gütige Natur unter die Füße der Menschen gesät hatte.
Kapitel 7
E in paar Monate später kam der »schwarze Besucher«. An diesen erinnerte sich Angélique deutlicher und länger. Er zerstörte und verletzte nicht, wie es die vorherigen Besucher getan hatten, sondern brachte mit seinen seltsamen Worten eine Hoffnung, die sie ihr ganzes Leben hindurch begleiten sollte. Eine so tief verwurzelte Hoffnung auf ein Anderswo, dass sie in den Phasen der Verzweiflung, die sie später durchleben sollte, nur die Augen zu schließen brauchte, um diesen vom sanften Raunen des Regens erfüllten Frühlingsabend wieder vor sich zu sehen, an dem er gekommen war.
Angélique hatte ihre frühere Selbstsicherheit und Entdeckungsfreude wiedergefunden. Von Mélusines Worten und Kräutertees beruhigt, war sie zufrieden damit, eine neue Erfahrung gemacht zu haben, die ihr die schillernde Welt des Hofes, seiner Feste und seiner Intrigen so nah gebracht hatte. Die Welt, in der sie eines Tages leben würde, denn in den Märchen ist es ja immer ein König oder Königssohn, der die Prinzessin in ihrem alten Schloss aufstöbert.
Mit fortschreitender Zeit erwies sich das Jahr als äußerst regnerisch. Das war zwar gut für die Felder, schränkte aber ihre Ausflüge in den Wald oder die Sümpfe ein.
Außerhalb der Stunden, in denen sie von Pulchérie unterrichtet wurde, suchte Angélique Zuflucht in ihrer geliebten Küche. Um sie herum spielten Denis, Marie-Agnès und der kleine Albert. Das Jüngste lag in seiner Wiege neben dem Kamin. Die Küche war der angenehmste Raum im ganzen
Schloss. Das Feuer brannte dort ununterbrochen und fast ohne Rauch, denn der riesige Kamin besaß einen hohen Rauchfang. Der Schein dieses ewigen Feuers tanzte durch den Raum und spiegelte sich in den roten Böden der kupfernen Kochtöpfe und Becken, die die Wände zierten. Der menschenscheue, verträumte Gontran saß manchmal stundenlang davor und beobachtete diese Lichtreflexe, in denen er seltsame Visionen erblickte, während Angélique in ihnen die Schutzgeister von Monteloup erkannte.
An diesem Abend bereitete Angélique eine Hasenpastete zu. Sie hatte den Teig bereits in Form gebracht und hackte gerade das Fleisch. Fantine, die ihr half, schimpfte dabei misstrauisch vor sich hin.
»Was soll das, mein Herzchen? Es ist nicht deine Aufgabe, dich um den Haushalt zu kümmern. Findest du mein Essen nicht mehr gut genug?«
»Doch, aber ich muss auf alles vorbereitet sein.«
»Wieso das denn?«
»Letzte Nacht«, antwortete Angélique, »habe ich geträumt, ich wäre eine Dienstmagd und würde für ein paar Kinder kochen. Das hat mir Freude gemacht, denn sie saßen alle um den Tisch versammelt und sahen mir mit leuchtenden Augen zu. Was soll ich denn machen, wenn ich irgendwann eine Dienstmagd bin und nicht einmal für die Kinder meines Herrn kochen
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