Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
kann?«
»Wie kommst du bloß auf solche Ideen?«, rief die Amme aufrichtig entrüstet. »Du wirst niemals eine Dienstmagd sein, und zwar aus dem einfachen Grund, weil du eine Adlige bist. Du wirst einen Baron oder Grafen heiraten... vielleicht sogar einen Marquis«, fügte sie lachend hinzu.
Raymond, der in einer Ecke saß, hob den Kopf.
»Deine Zukunftspläne haben sich geändert, wie ich sehe. Ich hatte gehört, du wolltest Räuberhauptmann werden?«
»Das eine schließt das andere ja nicht aus«, erwiderte sie, während sie fortfuhr, energisch das Fleisch kleinzuhacken.
»Ich bitte dich, Angélique, du solltest nicht solche … solche entsetzlichen Dinge reden!«, mischte sich die gute Pulchérie ein, die in der Zwischenzeit ebenfalls in der Küche Zuflucht gesucht hatte, weniger, um der Kälte im Salon zu entfliehen, sondern um den scharfen Bemerkungen ihrer Schwester Jeanne zu entkommen.
»Ich glaube nicht, dass Angélique so unrecht hat«, entgegnete Raymond in gemessenem Ton. »Eine der schwersten Sünden auf Erden ist der Hochmut, und man darf keine Gelegenheit versäumen, dagegen anzukämpfen. Sich zu erniedrigen und die Arbeit eines Dienstboten zu verrichten, ist dem Menschen zweifellos höchst dienlich.«
»So ein Unsinn«, erwiderte Angélique unverblümt. »Ich werde mich ganz bestimmt nicht erniedrigen. Ich will nur in der Lage sein, für Kinder, die ich liebe, zu kochen. Wirst du von meiner Pastete essen, Marie-Agnès? Und was ist mit dir, Albert?«
»Ja! Ja …«, schrien die beiden Kleinen und rannten herbei.
Draußen hörte man den Hufschlag eines galoppierenden Pferdes.
»Da kommt euer Vater zurück«, sagte Tante Pulchérie. »Angélique, ich glaube, es wäre angemessen, dass wir im Salon erscheinen.«
Doch nach einer kurzen Stille, in der der Reiter vom Pferd gesprungen sein musste, ertönte die Türglocke.
»Ich gehe«, rief Angélique.
Ohne sich um ihre hochgekrempelten Ärmel und ihre mehlweißen Arme zu kümmern, rannte sie hinaus.
Durch den Regen und den abendlichen Nebel hindurch erkannte sie einen großen, hageren Mann in einem triefenden Umhang.
»Habt Ihr Euer Pferd untergestellt?«, rief sie. »Hier holen sich die Tiere schnell eine Erkältung. Es gibt zu viel Nebel wegen der Sümpfe.«
»Ich danke Euch, Mademoiselle«, antwortete der Fremde, während er seinen breitkrempigen Filzhut abnahm und sich verneigte. »Ich habe mir erlaubt, nach alter Sitte der Reisenden mein Pferd und mein Gepäck gleich in Euren Stall zu bringen. Da ich feststellen musste, dass ich heute Abend noch zu weit von meinem eigentlichen Ziel entfernt bin, kam mir, als ich in die Nähe von Schloss Monteloup gelangte, der Gedanke, den Baron de Sancé für eine Nacht um seine Gastfreundschaft zu bitten.«
Anhand seines lediglich mit einem schlichten weißen Kragen verzierten Gewandes aus grobem schwarzem Tuch schloss Angélique, dass es sich um einen kleinen Kaufmann oder einen Bauern in seinem Sonntagsstaat handeln müsse. Doch sein Akzent, der nicht dem Dialekt dieser Gegend entsprach und ein wenig fremd klang, verwirrte sie ebenso wie seine gewählte Ausdrucksweise.
»Mein Vater ist noch nicht zurück, aber kommt doch herein ins Warme. Wir schicken einen Knecht in den Stall, um Euer Pferd trocken zu reiben.«
Als sie, gefolgt von dem Besucher, in die Küche zurückkehrte, war ihr Bruder Josselin gerade durch die Gesindetür von draußen hereingekommen. Über und über mit Schlamm bedeckt, das Gesicht gerötet und schmutzig, hatte er ein Wildschwein auf die Steinfliesen geschleift, das er mit seinem Spieß erlegt hatte.
»Eine erfolgreiche Jagd, Monsieur?«, erkundigte sich der Fremde höflich.
Josselin warf ihm einen unfreundlichen Blick zu und antwortete mit einem einsilbigen Knurren. Dann ließ er sich auf einen Schemel fallen und streckte die Füße in Richtung Kamin. Bescheiden
setzte sich der Besucher ebenfalls ans Feuer und nahm von Fantine dankend einen Teller Suppe entgegen.
Er erklärte, dass er ursprünglich aus der Region stamme und in der Nähe von Secondigny geboren sei, aber da er lange Jahre auf Reisen verbracht habe, spreche er mittlerweile seine eigene Muttersprache nur noch mit einem starken Akzent. Doch das würde sich bald legen, behauptete er. Er sei ja gerade erst vor einer Woche in La Rochelle von Bord gegangen.
Bei diesen Worten hob Josselin den Kopf und sah ihn mit leuchtenden Augen an. Die Kinder scharten sich um ihn und begannen ihn mit Fragen zu löchern.
»In
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