Angélique - Hochzeit wider Willen
gebeugte Haltung beibehielt, stellte er sich mit seinem Namen vor.
»Rodrigo Benshaprout de Toledo.«
Sein sonnengegerbtes Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, und dennoch war er kein alter Mann. Abgesehen von der üblichen Klangfarbe des Südens sprach er ohne Akzent. Und als er Marguerite und seine Helfer ansprach, geschah dies auf Okzitanisch.
Er bedeutete ihnen, den Dreifuß in seiner Nähe abzustellen, und schüttete glühende Holzkohle darauf. Auf eine andere, weniger hohe Stütze aus geschmiedetem Eisen setzten die beiden Träger ohne weitere Umstände die große, lederbezogene Truhe ab. Dann gingen sie. Marguerite stand immer noch hinter der Gruppe und hielt den Kerzenleuchter erhoben, um ihnen Licht zu spenden.
Die geheimnisvolle Truhe zog Angéliques Blicke auf sich. Sie war ein Kunstwerk für sich. Die mit Goldfarbe betonten Motive aus gepunztem Leder zeigten die gleichen Symbolzeichen
wie die Robe und der Hut des Mannes. Die Truhe stammte aus Córdoba, der berühmten Stadt, die einst über das ganze mohamedanische Spanien geherrscht hatte, bevor es in kleine unabhängige, Taifas genannte Königreiche zerfallen war.
Feierlich und unendlich bedächtig hob der Besucher den Deckel mit den kunstvoll gearbeiteten Beschlägen. Im Inneren des Deckels sah Angélique zwei Miniaturen in zarten Farben; zwei betende Männer, die ein goldener Strahlenkranz als Heilige kennzeichnete. In der Truhe befanden sich ordentlich aufgereiht Phiolen, Schachteln und Gläser und Schubladen, die auf einen leichten Fingerdruck hin aufsprangen und weitere schmale Fächer enthüllten. Darin lagen gebündelte Stängel, Blumen oder Blätter, Wurzeln und getrocknete Pflanzenteile aller Arten.
Ein ziemlich starker, aber angenehmer Duft stieg davon auf.
Angélique war fasziniert. Da waren Pflanzen, Gläser voll mit Kräutern, Pulvern in verschiedenen Farben und gehackten oder zerstoßenen Kräutern.
»Seid Ihr Medicus, Messire?«
»Ja! Ich bin Medicus.«
»Und warum bewegt Ihr Euch so langsam und behutsam?«
Er setzte die Miene eines Magisters auf.
» Primo , weil ich eben Arzt bin. Dieser Beruf bringt mich in Verbindung zu Menschen, die mit Angst geschlagen sind und die oft zum ersten Mal erkennen, dass das Leben, ihr Leben, vergänglich ist, und Verwundete, dass sie möglicherweise sterben werden. Sie befinden sich in einem Zustand tiefen Schreckens. Jede Bewegung, die man in ihrer Nähe macht, kann den dünnen Faden zerreißen, der sie noch unter uns festhält. Gelassenheit, Sanftheit, Langsamkeit jedoch beruhigen sie und lassen sie nach und nach erkennen, dass sie sich noch in dieser
Welt befinden. Secondo , weil der Herr Graf mir eingeschärft hat, Euch nicht zu erschrecken.«
Angélique hörte sich selbst fröhlich auflachen.
»Was für eine Idee! Ich bin weder verschreckt, noch liege ich im Sterben!«
Aber sie bemerkte, dass der Medicus, während er noch mit ihr sprach, ihr Handgelenk ergriffen hatte, und dies tatsächlich so zart, dass sie es nicht gespürt hatte.
»Was tut ihr da?«
Er hielt sie immer noch fest und schlug die Augen nieder, und man hätte sagen mögen, dass er etwas hörte. Dann ließ er ihre Hand mit derselben unendlichen Zartheit auf das Laken zurücksinken. Er hielt eine kleine Lupe, die anscheinend aus seinem Ärmel aufgetaucht war, zwischen Daumen und Zeigefinger und beugte sich noch weiter vor, bis er fast ihr Gesicht berührte, um verstohlen zuerst ihr linkes und dann ihr rechtes Auge zu inspizieren, die sie in ihrer Verblüffung weit aufgerissen hatte.
Schon hatte er sich wieder aufgerichtet und stellte ihr die beiden Heiligen vor, die auf die Deckelinnenseite seiner Medizinschatulle gemalt waren, als wären sie seine Begleiter.
»Dies sind Cosmas und sein Bruder Damian, die Schutzheiligen der Ärzte und Chirurgen, geboren in Arabien und christliche Märtyrer unter Kaiser Diokletian.«
Da er sah, dass sie dem Inhalt der Truhe Interesse entgegenbrachte, nannte er ihr einige Pflanzen, die aus dem Pays d’Oc stammten. Sie waren im östlichen Heideland verbreitet, dort, wo der Wind vom Mittelmeer wehte, der salziger als der des großen Ozeans war; Blumen, die anderswo selten geworden waren.
Währenddessen war das Wasser zum Sieden gelangt. Der
Medicus gab einige Prisen verschiedener Substanzen hinein und zählte Tropfen aus Flakons ab, die er nach langer Überlegung auswählte.
In ihre Kissen gelehnt trank Angélique das Gebräu. Der davon aufsteigende duftende
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