Angélique - Hochzeit wider Willen
Dampf hüllte sie ein.
Die bunten Gestalten der Heiligen Cosmas und Damian mit ihren Heiligenscheinen entschwanden ihren Blicken; entweder, weil der Deckel geschlossen worden war, oder wahrscheinlicher, weil ihre Lider mit einem Mal schwer geworden waren und ihre Augen einem unwiderstehlichen Bedürfnis nach Schlaf folgend, sich schlossen.
Sie schlummerte ein.
Als sie am nächsten Tag erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Sie fühlte sich wunderbar ausgeruht und erfrischt.
Sie fragte sich, ob sie den nächtlichen Besuch nur geträumt hatte. Doch der Duft der Pflanzen war noch deutlich wahrzunehmen.
Unter ihren Fenstern hörte sie, wie im Park Reiter einander anriefen. Ihre Reitgefährten mussten gekommen sein, um sie abzuholen; und man hatte ihnen wohl mitgeteilt, sie schlafe noch. Irgendwo im Palast erklang Musik. Hieß dies, dass Joffrey von seiner Ausfahrt zurückgekehrt war?
Sie begegnete ihm beinahe zufällig, und er sprach sie auf die halb ironische und halb ernste Weise an, in der er sich inzwischen meist an sie wandte.
»Was ist denn gestern geschehen? Haben Euch die zu lauten Gespräche dieser Herren gestört? Mit einem Mal stand auf Eurem bezaubernden Gesicht der gleiche Ausdruck des Entsetzens wie... damals, als Ihr mich zum ersten Mal gesehen habt!«
Angélique vermochte nur mit einem schwachen Lächeln zu
protestieren und stotterte, nichts sei gewesen. Vielleicht die übermäßige Hitze …
»Ich fand es angeraten«, fuhr der Graf fort, »diesen sehr bekannten Medicus kommen zu lassen, und ich bin selbst in den Flecken gefahren, wo er wohnt, um ihn sowie seine Medizintruhe zu holen.«
»Aber ich war nicht krank. Nicht nötig, diesen ehrenwerten Gelehrten aufzuscheuchen.«
Ihr Mann beobachtete sie scharf. Sie wusste, dass alles Leugnen sinnlos war. Er vermochte immer genauer zu erraten, was in ihr vorging.
Mit sorgenvoller Miene, die keineswegs vorgetäuscht war, sprach er dann weiter.
»Doktor Rodrigo Benshaprout hat mir die Diagnose mitgeteilt, zu der er nach der Untersuchung gekommen ist. Er hat mir anvertraut, gestern müsse Euch eine lange verblasste, vergessene Erinnerung durch den Kopf geschossen sein und Euch derart aufgewühlt haben, als wäret Ihr von einer Lanze durchbohrt worden... Solche Verletzungen müsse man sofort versorgen, hat er mir erklärt, um eine Erkrankung der Seele zu verhindern, und er war der Ansicht, ich hätte gut daran getan, ihn zu holen.«
Fassungslos starrte Angélique ihn an und wusste nicht, was sie darauf sagen sollte.
Sie verspürte das Bedürfnis, sich ihm anzuvertrauen, doch sie hatte auch das Gefühl, dass sie sich mit jedem Wort über dieses schreckliche Geheimnis in Gefahr bringen würde. Ihr Vertrauen geriet ins Wanken, und ihre Bestürzung war so offensichtlich, dass er erneut lächelte, dieses Mal nachsichtig.
»Sprechen wir von etwas anderem... Was sagt Ihr zu seinen Arzneien?«
Überglücklich, seinen Fragen entronnen zu sein, versicherte sie eilig, wie sehr sie all diese Kostbarkeiten bewundert habe, die in dieser wertvollen Truhe enthalten seien; nicht nur die Pflanzen, die man für die üblichen Krankheiten empfahl und die sie bereits kannte, sondern auch Elixiere, Zubereitungen aus Mineralien und Salzen, die, unter gewisse Wachse und Honige gemischt, sich bei den geheimnisvollen Krankheiten des Geistes und der Seele, deren Ursprung man nicht kennt, als wirkungsvoll erwiesen hatten.
Joffrey de Peyrac lauschte ihr, wie es seine Gewohnheit war, sehr aufmerksam.
Ihre Augen strahlten immer heller, und in ihrer Freude, über ihre geliebten Pflanzen zu plaudern und sich so im Gespräch an die fernen und wundersamen, mit Mélusine verbrachten Stunden ihrer Kindheit zu erinnern, bemerkte sie den leicht ironischen Glanz nicht, der in die dunklen Augen des Edelmanns trat.
»In der Tat«, bemerkte er, als sie kurz schwieg. »Der kluge Medicus hat mich auch auf Besonderheiten Eurer Person hingewiesen, von denen ich nichts wusste und die mich, wie ich gestehe, sehr erfreut haben, denn ich sehe darin weitere, zahlreiche Gründe dafür, dass wir eines Tages in der allervollkommensten liebenden Übereinstimmung zusammenfinden werden. Euer geheimes Selbst trifft sich unwiderstehlich in allen möglichen wichtigen Punkten mit dem meinigen.«
»Oh! Tatsächlich... Ich verstehe nicht... Was hat er Euch denn nur gesagt, dass Ihr...«
»Dass Ihr, was das Gebiet der Arzneien angeht, fast so bewandert seid wie er... und weit
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