Angélique - Hochzeit wider Willen
beruhigen.
»Wenn es zu Friedensverhandlungen mit Spanien kommt«, meinte einer aus der Runde noch, »wird es in unseren Landen prächtige Feste geben. Der Teil Aquitaniens, der auf dieser Seite der Pyrenäen liegt, kann sich schon mal darauf einrichten, alle Granden Spaniens zu empfangen.«
»Und ihre Frauen!«
»Ich habe erzählen hören, dass manche nicht auf die Verträge warten...«
»Madame de Mérecourt soll sich bereits in der Gegend aufhalten.«
»Werden wir sie wiedersehen, Monsieur de Peyrac?«
Die Antwort ging in Stimmengewirr und Ausrufen unter.
Angélique bemerkte, dass die kleinen Pagen durch die lauten Stimmen verunsichert waren und aufgehört hatten, die Obst- und Süßigkeitenkörbe anzubieten und Getränke nachzuschenken.
Sie ging zu ihnen und ermunterte sie, weiter zu bedienen. Sie hatte den Eindruck, dass der Boden unter ihren Füßen schwankte. Um ihr Unwohlsein zu vertreiben, trat sie an das große Fenster, das auf die Terrasse ging. Die brütende Hitze schwappte ihr ins Gesicht und betäubte sie fast. Eine Erinnerung versuchte, sich zu Wort zu melden. Vor dem tiefschwarzen Hintergrund einer feuchten Nacht sah sie den goldenen Schein eines erleuchteten Fensters, durch das sie den halbnackten, von seinem Gobelin herabgestiegenen Gott aus dem Olymp erblickt hatte: den Prinzen de Condé.
Wieder sah sie den hohen Edelmann mit dem Raubvogelprofil vor sich, wie er die grüne Ampulle zwischen den Fingern hochhielt. Mazarin ist tot ...
Aber nein! Kardinal Mazarin war nicht gestorben. Weil sie, Angélique, die Phiole mit dem Gift entwendet und versteckt hatte. Uns so war der Krieg zwischen dem Kardinal und den
Großen des Königreichs weitergegangen. Und die Armeen, der Hof und die Rebellen hatten dort oben im Norden weiter Unruhe verbreitet.
»Meine Liebste! Was habt Ihr?«
Die Stimme schien aus weiter Ferne zu ihr zu dringen.
»Liebste! Was ist mit Euch?«
Diese hochgewachsene, schlanke Gestalt, die vor ihr stand, wirkte in dem durchscheinenden, vibrierenden Licht, das von draußen hereinfiel, dunkel... war das der Prinz von Condé oder der Graf von Toulouse, der ihr Gatte geworden war?
Angélique trat die Flucht an und stürzte sich in die brütend heiße Luft, so wie sie sich in einem Alptraum ins Meer geworfen hätte.
Sie fand sich im Küchentrakt wieder. Die Räume waren, wie in den Häusern im Süden üblich, halb in den Boden hineingebaut und mit einer auf Pfeilern ruhenden Kuppeldecke überwölbt wie eine Krypta, sodass hier an solchen Sommertagen trotz der durch die Küchenarbeiten verursachten Wärme eine angenehm milde Temperatur herrschte. Die Öfen waren erloschen, und nur ein paar Küchenjungen waren unter der Aufsicht eines der Köche damit beschäftigt, auf großen Silberplatten himmelhohe Pyramiden aus Gebäck und Obst aufzuschichten.
Um ihren unerwarteten Besuch zu begründen, beglückwünschte Angélique sie zu dem Eifer, mit dem sie ihre Aufgaben erledigten; die Gäste seien sehr zufrieden, erklärte sie, und Monsieur de Peyrac desgleichen. Einer der Burschen fragte sie, ob sie ein Glas Mandelmilch wünsche, doch sie zog ein großes Glas Wasser vor, das aus dem Brunnen heraufgeholt wurde. In einer Loggia oberhalb des Parks sitzend, trank sie es langsam. Eine fast unmerkliche Brise bewegte die Baumkronen. Das
Wasser war kühl. Sie lehnte sich an den warmen Stein des Balkons. Der Gedanke schoss ihr durch den Kopf, dass sie auf einer Insel der Schönheit lebte, wo der Widerhall der grausamen Welt nicht zu hören war.
Wie sie dieses sonnendurchglühte Land liebte!
Wie sie diese rosafarbene Stadt liebte, in der sich rund um den Palast der fröhlichen Wissenschaft Türme und Kirchen erhoben wie in einem Blumenbouqet!
Sie versuchte sich die einschmeichelnde Stimme zu vergegenwärtigen.
Meine Liebste! Was habt Ihr?
War sie wirklich seine Liebste?! Sie mochte es noch nicht glauben... nicht zulassen!
Aber sie konnte ihm nicht erklären, was sie so erschreckt hatte. In den Worten, die heute von den Gästen des Palasts gewechselt worden waren, hatte eine Art unterschwelliger Gewalttätigkeit gelegen, als wären mit einem Mal die Schwerter gezogen und klirrend gekreuzt worden, und das rief ihr ins Gedächtnis, dass sich diese Männer zwar sämtlich schmeichelten, Poeten zu sein, aber auch und vor allem Krieger waren.
Von frühester Jugend an war ihr Leben geprägt durch die Feldzüge, an denen sie zusammen mit ihren Vätern und ihrem Lehnsherrn,
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