Angélique - Hochzeit wider Willen
für vollkommen harmlos gehalten haben. Aber es ist immer gefährlich, sich als Statist in Hofintrigen hineinziehen zu lassen. Wenn es darauf ankommt, sind solche Menschen sich nicht zu schade, ein kleines Mädchen zu beseitigen.«
Während er sprach, stand er auf, und Angélique sah, dass er zu einem Türvorhang in ihrer Nähe ging und ihn beiseiteriss. Mit verdrossener Miene kehrte er zurück.
»Ich bin leider nicht flink genug, um Neugierige zu ertappen.«
»Hat uns jemand belauscht?«
»Ich bin mir sicher.«
Er schien deswegen jedoch nicht besorgt zu sein.
Es läutete zum Angelus-Gebet.
Er stand auf.
»Da seid Ihr ja mit knapper Not entwischt«, meinte er in seinem üblichen ironischen Ton. »Man sollte glauben, unsere Begegnung sei vom Himmel vorherbestimmt gewesen.«
Er drückte einen leichten Kuss in ihre hohlen Hände.
»Ich lasse nicht zu, dass man Euch verbrennt, kleine Hexe.«
Kapitel 11
E inige Zeit später kehrte Angélique von ihrem morgendlichen Ausritt zurück, den sie mit einigen Freunden am Ufer der Garonne unternommen hatte.
Sie widmete dem Reiten stets einige Stunden am frühen Morgen, wenn es noch kühl war. Joffrey de Peyrac begleitete die Gruppe nur selten. Im Gegensatz zu den meisten Adligen interessierte er sich kaum für das Reiten und die Jagd. Man hätte meinen können, er schrecke vor solchen anstrengenden Leibesübungen zurück, wäre da nicht der Umstand gewesen, dass er als Fechter einen fast ebenso legendären Ruf genoss wie als Sänger. Die Hiebe, die er trotz seines lahmen Beins vollführte, waren, wie es hieß, ein wahres Wunder. Er übte jeden Tag im Waffensaal des Palastes, aber Angélique hatte ihn noch nie schießen sehen.
Es gab so vieles, was sie von ihm noch nicht wusste; und oft erinnerte sie sich mit einer plötzlichen Beklommenheit an die Worte, die ihr der Erzbischof an ihrem Hochzeitstag zugeraunt hatte. Ganz unter uns, Madame, Ihr habt Euch einen sehr eigenartigen Gatten ausgesucht ...
Vor dem blauen Himmel hoben sich die Bauwerke der Stadt in allen nur möglichen Rosatönen ab wie noch unscharfe Erscheinungen aus einem Traum. Doch Angélique hielt sich nicht bei diesem Schauspiel auf, das sie ansonsten liebte. Sie war zerstreut und machte sich wieder Sorgen.
Nach einer Zeit der Annäherung zwischen ihr und dem Grafen
schien dieser ihr gegenüber erneut die respektvolle, aber distanzierte Haltung an den Tag zu legen, die er zu Beginn gezeigt hatte. Sie sah ihn sehr selten, und wenn, dann stets in Gesellschaft von Gästen; und sie fragte sich, ob nicht die stürmische Carmencita de Mérecourt etwas mit dieser neuerlichen Entfremdung zu tun hatte. In der Tat war die Dame nach einem kurzen Aufenthalt in Paris nach Toulouse zurückgekehrt, wo ihre Exaltiertheit jedermann in Atem hielt. Dieses Mal, so hieß es allgemein, werde ihr Mann sie gewiss in einem Kloster einsperren. Wenn er seine Drohung nicht wahrmache, dann lediglich aus diplomatischen Gründen. Der Krieg gegen Spanien war noch im Gange, aber Monsieur de Mazarin, der seit langer Zeit versuchte, über einen Frieden zu verhandeln, hatte die Empfehlung ausgesprochen, alles zu unterlassen, was die Empfindsamkeit der Spanier verletzen könne. Und die schöne Carmencita gehörte einer bedeutenden Madrider Familie an. Das Auf und Ab ihres Ehelebens hatte also größere Bedeutung als die in Flandern aufmarschierten Heere, und in Madrid erfuhr man alles, denn obwohl die offiziellen diplomatischen Beziehungen abgebrochen waren, überquerten geheime Boten, als Mönche, Hausierer oder Kaufleute getarnt, ständig in beide Richtungen die Pyrenäen.
Carmencita de Mérecourt pflegte also in Toulouse ihren exzentrischen Lebensstil, und Angélique war besorgt und verletzt. Obwohl sie sich durch das Zusammenleben mit dieser glanzvollen Gesellschaft ein selbstsicheres Auftreten zugelegt hatte, war sie tief in ihrem Inneren einfach wie eine Feldblume geblieben, ursprünglich und leicht zu erschrecken. Sie fühlte sich dem Kampf gegen eine Frau wie Carmencita nicht gewachsen und sagte sich oft, von Eifersucht zerfressen, dass die Spanierin viel besser zu dem außergewöhnlichen Grafen de Peyrac passe als sie selbst.
Nur auf dem Gebiet der Wissenschaft war sich Angélique sicher, bei ihrem Mann an erster Stelle zu stehen.
Ausgerechnet an diesem Morgen erblickte sie, als sie sich mit ihrer Eskorte aus Pagen, Kavalieren und einigen jungen Mädchen, mit denen sie sich zu umgeben liebte, dem
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