Angélique - Hochzeit wider Willen
Erbitterung aufblitzen.
Man hätte meinen können, Joffrey de Peyrac wolle an diesem
Abend bewusst diesen Groll anstacheln; weniger aus fanatischer Heimatliebe, sondern weil er einen Abscheu gegenüber Kleingeistigkeit, Grobheit und Dummheit hegte.
Angélique, die am anderen Ende der gewaltigen Tafel saß, betrachtete ihn in seinem Anzug aus karmesinrotem Samt, der mit Diamanten übersät war. Seine Gesichtsmaske und sein dunkles Haar betonten das Weiß seines hohen Kragens aus flandrischen Spitzen, seiner Manschetten und auch seine langen, in lebhafter Bewegung befindlichen Hände, an denen er an jedem Finger einen Ring trug.
Sie selbst war in Weiß gekleidet, was sie an ihren Hochzeitstag erinnerte. Genau wie an jenem Tag waren die wichtigsten Herren aus dem Languedoc und der Gascogne gekommen und schmückten die beiden großen Bankett-Tische, die man in der Galerie in der ersten Etage des Palastes aufgestellt hatte. Doch heute mischten sich weder Greise noch Kirchenmänner unter diese strahlende Gesellschaft. Nun, da Angélique mit jedem Gesicht einen Namen verband, erkannte sie, dass der größte Teil der Paare, die sie umgaben, in keiner legalen Verbindung standen. Andijos hatte seine Mätresse mitgebracht, eine temperamentvolle Pariserin. Madame de Saujac, deren Mann Magistrat in Montpellier war, beugte ihren brünetten Kopf zärtlich über die Schulter eines Hauptmanns mit goldblondem Schnurrbart. Einige Edelmänner, die allein gekommen waren, näherten sich Damen, die so mutig und unabhängig waren, dass sie sich ohne Anstandsdame zu dem berühmten Minnehof begeben hatten.
Diese luxuriös gekleideten Männer und Frauen strahlten Jugend und Schönheit aus. Gold und Edelsteine glitzerten im Licht der Fackeln und Kerzenleuchter. Die Fenster des Saals waren an diesem milden Frühlingsabend weit geöffnet. Um die Mücken zu vertreiben, verbrannte man in Kupferschalen
Zitronella-Blätter und Weihrauch, und dieser schwere Duft mischte sich unter den der Weine.
Angélique fühlte sich immer noch fehl am Platz wie eine Feldblume in einem Rosenbeet.
Doch sie war sehr schön zurechtgemacht, und in ihrer Ausstrahlung stand sie den Damen in nichts nach.
Die Hand des kleinen Herzogs de Forba des Ganges streifte ihren bloßen Arm.
»Welch ein Schmerz, Madame«, flüsterte er, »dass ein solcher Herr Euch besitzt! Denn ich habe heute Abend nur Augen für Euch.«
Mit der Spitze ihres Fächers versetzte sie ihm einen Klaps auf die Finger.
»Ihr solltet es nicht allzu eilig haben, die hier erteilten Lehren in die Tat umzusetzen. Lauscht lieber brav den Worten der Erfahrung: Weh dem, der es zu eilig hat und sich in alle Winde dreht. Habt Ihr nicht bemerkt, welch hübsche Stupsnase und rosige Wangen Eure Nachbarin zur Rechten hat? Ich habe mir sagen lassen, sie sei eine kleine Witwe, die sich nur danach sehnt, sich nach dem Tod ihres sehr alten und sehr mürrischen Gatten trösten zu lassen.«
»Ich danke Euch für Euren Rat, Madame.«
» Eine neue Liebe verscheucht die alte, sagt Maître de Chapelain.«
»Jeden Rat aus Eurem bezaubernden Mund muss man einfach befolgen. Lasst mich noch Eure Hand küssen, und ich verspreche Euch, mich um die kleine Witwe zu kümmern.«
Am anderen Ende der Tafel war eine Debatte zwischen Cerbalaud und Monsieur de Castel-Jalon im Gange.
»Ich bin bettelarm«, erklärte Letzterer, »und verhehle nicht, dass ich einen Morgen Weingärten verkauft habe, um mich anständig
einkleiden und herkommen zu können. Doch ich behaupte, dass ich nicht reich zu sein brauche, damit man mich um meiner selbst willen liebt.«
»Dann werdet Ihr aber nie die feine, die raffinierte Liebe kennenlernen. Allerhöchstens wird Euer Idyll dem des Rüpels gleichen, der mit der einen Hand seine Flasche und mit der anderen sein Liebchen liebkost und traurig an die vielen, mühsam verdienten Sous denkt, mit denen er für beides bezahlen muss.«
»Ich behaupte jedoch, dass das Gefühl...«
»Das Gefühl gedeiht nicht in der Not...«
Lachend streckte Joffrey de Peyrac die Hände aus.
»Friede, Messieurs. Lauscht dem Meister aus alter Zeit, dessen humane Philosophie all unsere Diskussionen durchdringen sollte. Hört, mit welchen Worten er seine Kunst des Liebens eröffnet: Die Liebe ist aristokratisch. Um sich der Liebe zu widmen, darf man keine Sorge in seinem materiellen Leben haben, und dieses darf einen nicht so beanspruchen, dass es die Zeit jeden Tages bestimmt. Seid also reich, Messieurs, und
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