Angélique - In den Gassen von Paris
gut fürs Geschäft, aber keine Frau für mich.«
Da er intelligent war und sich wider Willen von Angélique angezogen fühlte, fürchtete sie, er könne versuchen, ihr Geheimnis zu erraten und ihre Vergangenheit zu ergründen.
Also schickte sie stets Flipot, um ihre heimlichen Bestellungen aufzugeben und die Grüße des Hauses zu überbringen. Doch sie bedauerte aufrichtig, diesen Mann nicht mehr zu sehen. Anselme und seine Tochter betrachteten sich als »gute Leute« und waren tugendhaft und begabt; fleißig und beherzt und vollständig in der Lage, mit dieser Flut von Personen – ob von hohem Rang oder niederer Herkunft, und manche halb von Sinnen vor Eitelkeit und Hoffart –umzugehen, die sich in dem Durcheinander aus Fahrzeugen, Karren oder Kutschen, Zug- oder Kutschenpferden unter Wiehern, Flüchen und Peitschenknallen begegneten.
Das war die Herberge zu den Vier Königen auf dem Weg nach Versailles.
Eines Tages gab Audiger seine Zurückhaltung auf.
»Je länger ich Euch beobachte«, sagte er zu Angélique, »umso mehr verblüfft Ihr mich, schöne Freundin. Ihr habt etwas an Euch, das mich bedrückt …«
»Bezüglich Eurer Schokolade?«
»Nein … oder doch … indirekt. Zuerst hatte ich den Eindruck, Ihr wäret für die Dinge des Herzens – und sogar des Geistes – geschaffen. Doch jetzt stelle ich fest, dass Ihr in Wahrheit sehr praktisch, ja sogar materialistisch seid und niemals den Kopf verliert.«
Das will ich hoffen, dachte Angélique. Aber sie beschränkte
sich darauf, ihm ihr bezauberndstes Lächeln zu schenken.
»Versteht Ihr«, sagte sie, »im Leben gibt es Zeiten, in denen man gezwungen ist, sich einer Sache vollständig zu widmen, und dann wieder einer anderen. Manchmal herrscht die Liebe, meist dann, wenn das Leben leicht ist. In anderen Phasen ist es die Arbeit und ein Ziel, das man erreichen will. Ich will Euch nicht verhehlen, dass im Moment das Wichtigste für mich ist, Geld für meine Kinder zu verdienen … denn ihr Vater ist tot.«
»Ich wollte nicht taktlos sein, aber da Ihr von Euch aus von Euren Kindern sprecht … Glaubt Ihr denn, dass es Euch in diesem ebenso anstrengenden wie unbeständigen Geschäft, das vor allem so wenig mit einem richtigen Familienleben zu vereinbaren ist, gelingen wird, sie großzuziehen und glücklich zu machen?«
»Ich habe wohl keine andere Wahl«, erwiderte Angélique hart. »Außerdem kann ich mich wirklich nicht über Meister Bourjus beklagen. Bei ihm habe ich angesichts meiner bescheidenen Stellung eine unerwartet gute Position gefunden.«
Audiger räusperte sich und spielte kurz mit den Quasten seines breiten Spitzenkragens.
»Und wenn ich Euch eine Wahl bieten würde?«, fragte er dann zögernd.
»Was meint Ihr?«
Sie sah ihn an und erkannte in seinen braunen Augen mühsam beherrschte Anbetung. Daher erschien ihr der Moment günstig, um ihre Verhandlungen weiter voranzutreiben.
»Ach, übrigens – habt Ihr eigentlich Euer Patent erhalten?«
Audiger seufzte.
»Seht Ihr, das interessiert Euch, und Ihr verbergt es nicht einmal. Nun, um Euch die Wahrheit zu sagen, habe ich den Stempel von der Staatskanzlei noch nicht, und ich glaube auch, dass ich ihn vor Oktober nicht bekommen werde, da sich ihr Präsident, Séguier, während des Sommers in seinem Haus auf dem Land aufhält. Aber ab Oktober wird alles sehr rasch vonstatten gehen. Ich habe mich über meine Angelegenheit mit dem Grafen de Guiche unterhalten, dem Schwiegersohn von Kanzler Séguier. Ihr versteht also, dass Ihr bald Eure Hoffnung darauf, eine schöne Schokoladenwirtin zu werden, begraben könnt … wenn Ihr nicht …«
»Ja, wenn ich nicht …«, erwiderte Angélique. »Dann hört jetzt zur Abwechslung einmal mir zu.«
Unverblümt unterrichtete sie ihn über ihr Vorhaben. Sie erinnerte ihn daran, dass sie im Besitz eines Patents war, das früher ausgestellt war als seines und mit dem sie ihm »Schwierigkeiten« machen könne. Aber sei es nicht das Beste, sich zu verständigen? Sie würde die Herstellung des Produkts übernehmen, und er könnte es zubereiten. Und um am Gewinn des Schokoladengeschäfts beteiligt zu werden, würde Angélique dort arbeiten und auch Geld investieren.
»Und wo wollt Ihr Euer Lokal eröffnen?«, fragte sie.
»Im Saint-Honoré-Viertel, in der Nähe des Trahoir-Kreuzes. Aber was Ihr da erzählt, hat weder Hand noch Fuß!«
»Oh doch, und das wisst Ihr genau. Das Saint-Honoré-Viertel eignet sich ganz ausgezeichnet. Es liegt
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