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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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Mundschenke, sodass man mit großem Vergnügen zusehen konnte, wie der Prinz de Condé, statt Schlachten zu gewinnen oder Komplotte gegen den König zu schmieden, die Platten nahm, die man ihm von einem benachbarten Boot aus reichte, und sie dem König und seiner Mätresse vorsetzte wie ein vorbildlicher Dienstbote.
    Am 11. August gingen die Damen auf Hirschjagd. Am 14. August fand ein Freiluftball statt, bei dem der König, als Schäfer kostümiert, mit der La Vallière tanzte. Am 18. August wurde ein Konzert im Wald veranstaltet, bei dem das hinter Büschen versteckte Orchester mit den Vögeln wetteiferte, am 25. August dann ein Fackelzug … und bei allem führte Amor den Reigen an.
     
    Angélique saß am Seine-Ufer, wo von dem überhitzten Flussschlamm ein abscheulicher Gestank aufstieg, und sah zu, wie es über Notre-Dame dämmerte.
    Über den hohen, eckigen Türmen und der bauchigen Apsis war der Himmel gelblich und mit Schwalben gesprenkelt. Ab und zu flatterte ein Vogel an der sitzenden Frau vorüber und streifte mit schrillem Schrei das Ufer.

    Auf dem anderen Ufer fiel unterhalb der Häuser der Domherren von Notre-Dame ein lehmiger Abhang weit in den Fluss hinein ab. Dort lag die größte Pferdetränke von Paris. Um diese Zeit war ein ganzer Zug von Pferden dorthin unterwegs, die von Fuhrleuten oder Kutschern geführt wurden. Ihr Wiehern klang durch den klaren Abend.
    Mit einem Mal stand Angélique auf. Ich will meine Kinder besuchen, dachte sie.
    Für zwanzig Sols setzte ein Fährmann sie zum Hafen von Saint-Landry über. Angélique ging die Rue de l’Enfer entlang und blieb ein paar Schritte vom Haus des Prokurators Fallot de Sancé stehen. Sie wäre gar nicht auf die Idee gekommen, in dem Zustand, in dem sie sich befand – mit ihrem zerlumpten Rock, ihren zerzausten Haaren, über die sie ein Tuch gebunden hatte, und ihren heruntergetretenen Schuhen –, bei ihrer Schwester vorstellig zu werden. Aber sie hatte sich gedacht, wenn sie in der Nähe Aufstellung nähme, könnte sie ihre beiden Söhne vielleicht sehen. Seit einiger Zeit war das bei ihr zu einer fixen Idee geworden, einem Bedürfnis, das jeden Tag größer wurde und ihre gesamten Gedanken einnahm. Florimonds Gesichtchen tauchte aus dem Abgrund des Vergessens und der dumpfen Schwermut auf, in den sie gestürzt war. Sie sah seine schwarzen Locken unter seinem roten Kinderhäubchen vor sich. Sie hörte ihn plappern. Wie alt war er jetzt? Etwas über zwei Jahre. Und Cantor? Sieben Monate. Von ihm hatte sie kein Bild. Er war noch so klein gewesen, als sie ihn verlassen hatte!
    Neben dem Stand eines Flickschusters lehnte Angélique sich an die Wand und starrte die Fassade des Hauses an, in dem sie gelebt hatte, als sie noch eine reiche, angesehene Frau gewesen war. Vor einem Jahr war ihre Kutsche kaum durch die enge Straße gekommen. Von dort aus hatte sie
sich prachtvoll gekleidet zum triumphalen Einzug des Königs begeben. Und die einäugige Cateau hatte ihr das vorteilhafte Angebot von Superintendent Fouquet unterbreitet: Nehmt an, meine Liebe … Ist das nicht besser, als das Leben zu verlieren?
    Sie hatte abgelehnt. Danach hatte sie alles verloren und fragte sich beinahe, ob sie vielleicht tatsächlich gestorben war, denn sie hatte keinen Namen mehr und kein Recht zu existieren. In den Augen der Welt war sie tot.
     
    Die Zeit verging, und an der Hausfassade rührte sich nichts. Immerhin konnte man hinter den schmutzigen Fenstern der Kanzlei des Prokurators die Gestalten der armen Schreiber erahnen.
    Einer kam heraus, um die Laterne anzuzünden.
    Angélique sprach ihn an.
    »Ist Maître Fallot de Sancé zu Hause, oder ist er auf sein Landgut gefahren?«
    Bevor er antwortete, nahm der Schreiber sich Zeit, sein Gegenüber zu mustern.
    »Maître Fallot wohnt schon länger nicht mehr hier«, erklärte er. »Er hat sein Amt verkauft. Durch einen Hexenprozess, in den seine Familie verstrickt war, bekam er Probleme, was ihm in seinem Beruf geschadet hat. Und außerdem ist bei ihm eingebrochen worden. Er ist in ein anderes Viertel gezogen.«
    »Und… und Ihr wisst nicht zufällig, wohin?«
    »Nein«, gab er überheblich zurück. »Aber wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht sagen. Du bist keine Klientin für ihn.«
     
    Angélique war niedergeschmettert. Seit Tagen lebte sie nur noch mit dem Gedanken, die Gesichter ihrer Kinder
zu sehen, und wenn es nur für ein paar Augenblicke gewesen wäre. Sie hatte sich vorgestellt, wie sie von ihrem

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