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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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anderen.
     
    In der Rue Saint-Martin wartete eine Kutsche. Gerade als die Gräfin de Soissons einsteigen wollte, trat eine ärmlich gekleidete Frau auf sie zu, die ein Kind auf dem Arm trug.
    »Mein Kind stirbt vor Hunger und Kälte, Madame«, erklärte sie. »Ich will, dass Ihr einem Eurer Lakaien befehlt, einen vollen Karren Holz, einen Topf Suppe, Brot, Decken und Kleidung an einen Ort zu bringen, den ich ihm nenne.«
     
    Verblüfft betrachtete die adlige Dame die Bittstellerin.
    »Ihr seid ziemlich dreist, Tochter. Habt Ihr heute Morgen nicht schon Eure Schale Suppe bekommen?«
    »Von einer Schale Suppe kann man nicht leben, Madame. Was ich von Euch verlange, ist im Vergleich zu Eurem Reichtum sehr wenig. Ein Karren Holz und etwas zu essen, und das so lange, bis ich mich auf andere Weise erhalten kann.«

    »Unerhört!«, rief die Gräfin aus. »Hast du das gehört, Bertille? Diese Bettlerinnen werden mit jedem Tag frecher! Lasst mich in Ruhe, Weib! Und fasst mich nicht mit Euren schmutzigen Händen an, sonst befehle ich meinen Lakaien, Euch zu schlagen.«
    »Passt nur auf, Madame«, erwiderte Angélique fast unhörbar, »und seht Euch vor, dass ich nicht von Kouassi-Bas’ Kind spreche!«
    Die Gräfin, die soeben ihre Röcke gerafft hatte, um in die Kutsche zu steigen, erstarrte mit erhobenem Fuß.
    Angélique fuhr fort.
    »Ich kenne ein Haus in Faubourg Saint-Denis, wo man ein Mohrenkind aufzieht …«
    »Sprecht leiser«, fuhr Madame de Soissons sie wütend an.
    Sie schob Angélique zurück, weg von der Kutsche, und zog sie beiseite.
    »Was ist das für eine Geschichte?«, verlangte sie in scharfem Ton zu wissen.
    Angélique, der Florimond zu schwer wurde, hob den Kleinen auf den anderen Arm.
    »Ich kenne ein Mohrenkind, das von Fremden großgezogen wird«, fuhr sie fort. »Es ist an einem Tag, der mir bekannt ist, in Fontainebleau geboren, mit Hilfe einer gewissen Frau, deren Namen ich jedem sagen kann, der es hören will. Wäre man bei Hofe nicht sehr amüsiert, wenn man erführe, dass Madame de Soissons ihr Kind dreizehn Monate unter dem Herzen getragen hat?«
    »Was für eine unverschämte Person!«, rief die schöne Olympe aus, wie immer von ihrem südländischen Temperament überwältigt.
    Sie musterte Angélique und versuchte zu erkennen, wen sie vor sich hatte. Aber diese hatte die Augen niedergeschlagen
und war überzeugt davon, dass in dem traurigen Zustand, in dem sie sich befand, niemand in ihr die strahlende Madame de Peyrac wiedererkennen würde.
    »Jetzt ist es genug«, sagte die Gräfin de Soissons erzürnt und marschierte eilig auf ihre Kutsche zu. »Ihr hättet es verdient, dass ich Euch verprügeln lasse. Ich kann es nämlich nicht leiden, wenn man sich über mich lustig macht.«
    »Der König mag es ebenso wenig, wenn man ihn hinters Licht führt«, flüsterte Angélique, die ihr gefolgt war.
     
    Die edle Dame lief hochrot an, ließ sich auf die samtbezogene Sitzbank sinken und trommelte erregt auf ihren Röcken herum.
    »Der König! Der König! Eine Bettlerin ohne Hemd wagt es, vom König zu sprechen! Das ist unerträglich! Und, was wollt Ihr nun?«
    »Das habe ich Euch bereits erklärt, Madame. Es ist nur wenig: ein Karren mit Brennholz, warme Kleider für mich, meinen Kleinen und meine acht und zehn Jahre alten Söhne, ein wenig zu essen …«
    »Oh, was für eine Demütigung, dass ich so mit mir reden lassen muss«, klagte Madame de Soissons und biss in ihr Spitzentaschentuch. »Und dieser Schwachkopf von einem Polizeipräfekten klopft sich für seine Operation auf dem Jahrmarkt von Saint-Germain auf die Schulter und behauptet, er habe die übelsten Gauner der Stadt besiegt … Worauf wartet ihr noch? Schließt die Türen«, rief sie, an ihre Lakaien gerichtet.
     
    Einer von ihnen stieß Angélique beiseite, um dem Befehl seiner Herrin nachzukommen. Aber sie gab sich nicht geschlagen und trat erneut an die Tür heran.

    »Darf ich nun beim Palais der Soissons in der Rue Saint-Honoré vorstellig werden?«
    »Tut das«, versetzte die Gräfin knapp. »Ich werde entsprechende Anweisungen erteilen.

Kapitel 12
    S o kam es, dass Meister Bourjus, seines Zeichens Bratkoch aus der Straße Vallée-de-Misère, als er gerade seinen ersten Krug Wein in Angriff nahm und melancholisch an die fröhlichen Lieder dachte, die einst Meisterin Bourjus um diese Stunde geträllert hatte, einen seltsamen Zug in seinen Hof einmarschieren sah.
    Eine Gruppe zerlumpter Menschen, die aus zwei jungen Frauen und

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