Angélique - In den Gassen von Paris
meine zwei kleinen Kinder davonjagt, werde ich gehen. Aber ich weiß nicht, wohin ich mich wenden soll, wohin ich meine Kleinen bringen soll, um sie vor Kälte und Regen zu schützen. Glaubt Ihr, Eure Frau hätte uns aus dem Haus gewiesen? Ich wohne in Barbes Zimmer und werde Euch nicht stören. Außerdem habe ich mein eigenes Brennholz und genug zu essen. Die Knaben und das Mädchen, die mich begleiten, könnten ein paar einfache Arbeiten verrichten; Wasser tragen oder den Boden schrubben. Und die Kinder werden oben bleiben…«
»Und warum willst du sie im Zimmer lassen?«, rief der Bratkoch. »Kinder gehören nicht in einen Taubenschlag, sondern in die Küche, an den Kamin, wo sie es warm haben und nach Herzenslust herumlaufen können. So sind diese losen Weiber! Weniger Herz im Leib als ein Tier! Und nun hol schon deine Gören in die Küche herunter, wenn du nicht willst, dass ich böse werde! Außerdem wirst du mir sonst da oben noch meine hölzernen Dachschindeln in Brand setzen!«
Leicht wie eine Elfe flog Angélique die sieben Stockwerke bis zu Barbes Mansardenzimmerchen hinauf. Die Häuser in diesem Händlerviertel, die sich im Mittelalter unter dem Druck der stürmisch wachsenden Stadt zusammengedrängt hatten, waren außerordentlich hoch und schmal. Sie hatten höchstens zwei, meist aber nur ein Zimmer pro Etage, die durch eine Wendeltreppe miteinander verbunden waren, die bis in den Himmel zu führen schien.
Auf einem Treppenabsatz begegnete Angélique einer flüchtigen Gestalt, in der sie David erkannte, den Neffen des Wirts. Der Küchenjunge drückte sich an die Wand und warf ihr einen beleidigten Blick zu. Doch Angélique erinnerte sich nicht mehr an die harten Worte, die sie ihm bei ihrem ersten Besuch bei Barbe damals ins Gesicht geschleudert hatte.
Sie lächelte ihm zu, denn sie war entschlossen, sich in diesem Haus, in dem sie sich eine ehrbare Existenz aufbauen wollte, beliebt zu machen.
»Guten Tag, mein Kleiner.«
»Kleiner?«, knurrte er und fuhr zusammen. »Ich weise dich darauf hin, dass ich dir auf den Kopf spucken könnte, wenn ich wollte. Im Herbst bin ich schon sechzehn geworden.«
»Oh, Pardon, Messire! Ein schwerer Fehler meinerseits. Ich hoffe, Ihr seid so ritterlich, mir zu verzeihen.«
Der Bursche, der ganz offensichtlich an solche Wortgeplänkel nicht gewöhnt war, zuckte ungeschickt die Schultern.
»Vielleicht«, stammelte er.
»Ihr seid zu liebenswürdig. Ich bin gerührt. Wenn Ihr dafür die gute Kinderstube hättet, eine Dame von Rang nicht so vertraulich zu duzen?«
Der arme Kochlehrling schien mit einem Mal Qualen zu leiden. Aus dem mageren, blassen Gesicht des linkischen Burschen blickten recht hübsche schwarze Augen, aber seine Selbstsicherheit hatte ihn im Stich gelassen.
Angélique wollte schon weiter die Treppe hinaufsteigen, als sie innehielt.
»Du mit deinem Akzent bist doch bestimmt aus dem Süden, oder?«
»Ja … M’dame. Ich komme aus Toulouse.«
»Toulouse«, rief sie aus. »Oh, ein Landsmann!«
Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
»Toulouse!«, seufzte sie noch einmal.
Der Küchenjunge war rot wie eine Tomate geworden. Angélique sagte noch ein paar Worte aus dem Languedoc zu ihm, und Davids Verwirrung nahm zu.
»Dann seid Ihr auch von dort?«
»Beinahe.«
Sie war geradezu närrisch glücklich über dieses Zusammentreffen. So weit war es also mit ihr gekommen! Nachdem sie eine der großen Damen von Toulouse gewesen war, küsste sie einen Küchenjungen, bloß weil er diesen Akzent auf der Zunge führte, der nach Sonne klang und den Duft von Knoblauch und Blumen wachzurufen schien!
»Die Stadt ist so schön«, murmelte sie. »Warum bist du nicht in Toulouse geblieben?«
»Vor allem, weil mein Vater gestorben ist«, erklärte David. »Außerdem hat er immer gewollt, dass ich nach Paris gehe, wo der Handel blüht, um das Handwerk eines Limonadenschenks zu erlernen. Er selbst ist Gewürzhändler gewesen. Ich habe es ihm nachgetan und stand sogar kurz davor, mein Meisterstück in Wachs, Pastillen, Zucker und Gewürzen abzulegen, als er starb. Also bin ich nach Paris gereist und just an dem Tag angekommen, an dem meine Tante, Meisterin Bourjus, an den Pocken gestorben ist. Ich habe noch nie Glück gehabt. Bei mir geht immer etwas schief.«
Völlig außer Atem verstummte er.
»Das Glück wird sich schon wieder einstellen«, versprach ihm Angélique und setzte ihren Weg nach oben fort.
In der Mansarde traf sie Rosine an, die
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