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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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atmete erleichtert auf. Sie hatte befürchtet, der Hitzkopf könnte das erregende Schauspiel verderben. Sie wäre auch betrübt gewesen, wenn der Fürst durch eine Unüberlegtheit den Zorn des Königs auf sich gezogen hätte. Der Monarch handelte recht unbedacht, wenn er einem Rebellen Zutritt zu seinem Hof gewährte. Bei solchen Leuten muss man auf alles gefasst sein!
Nach jeweils drei Schritten grüßte die moskowitische Abordnung auf orientalische Weise. Die demütigen Verneigungen standen in schroffem Gegensatz zu den stolzen Blicken der Männer, und Angélique konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sich hinter ihren geschmeidigen Bewegungen eine gefährliche, nur mühsam gebändigte Kraft verbarg. Ein Schauer durchlief sie. Rakoskis wunderliche Hysterie hatte sich auf sie übertragen. Sie machte sich auf etwas Ungewöhnliches gefasst. Es würde hereinbrechen wie ein Gewitter, wie ein Blitz, dessen Gewalt die Mauern sprengte.
Sie warf einen Blick zum König hinüber und stellte erleichtert fest, dass er seinerseits völlig gelassen war, majestätisch, wie allein er es zu sein verstand. Die Perücke »auf Botschafterart« des Sieur Binet konnte durchaus mit den moskowitischen Mützen konkurrieren.
Monsieur de Pomponne trat vor. Da er Botschafter in Polen gewesen war, beherrschte er die russische Sprache und diente als Dolmetscher. Nach den üblichen Begrüßungsformeln überreichte die Abordnung die aus dem fernen Russland mitgebrachten Geschenke.
Immer wieder brachen die Anwesenden in Rufe des Staunens und der Bewunderung aus. Die Damen fassten sich ein Herz und berührten entzückt die Teppiche und Seidenstoffe; am meisten jedoch beeindruckte ein mächtiger blauer Beryll…
Indessen erklärten die Moskowiter, sie hätten, da sie von der Leidenschaft des großen abendländischen Königs für seltene Tiere wüssten, aus Sibirien einen weißen Tiger von überaus seltener Art mitgebracht, der im Marmorhof darauf warte, endlich seinen neuen Herrn zu begrüßen.
Die Ankündigung löste große Begeisterung aus, und der Hof folgte dem König und dem moskowitischen Botschafter zur Treppe. In diesem Augenblick ereignete sich der Zwischenfall. Ein absonderliches Tier, kohlrabenschwarz, als habe die Hölle es ausgespien, ein kleines, zottiges Pferd, tauchte auf der obersten Stufe auf. Sein Reiter richtete sich in den Steigbügeln auf und schrie etwas in einer fremden Sprache, dann wiederholte er es auf russisch und schließlich auf französisch.
»Es lebe Ungarn!«
Er hob den Arm. Sein Dolch pfiff durch die Luft und bohrte sich zu Füßen des ukrainischen Hetmans zitternd ins Parkett. Dann wendete der Reiter sein seltsames Pferd und galoppierte wieder die Treppe hinunter.
»Zu Pferd! Unglaublich! Ein galoppierendes Pferd auf einer Treppe…!«
Die Franzosen sahen nur dies: ein ungewöhnliches reiterisches Bravourstück. Die Moskowiter starrten mit unergründlichen Mienen auf den Dolch. Der König sprach in bedächtigem Ton mit Monsieur de Pomponne und bat ihn, sein Bedauern zu übermitteln. Sein Palast, sagte er, stehe dem Volke offen, denn das Volk habe das Recht, seinen König zu sehen. Er nehme auch Ausländer bei sich auf. Leider vergelte man trotz der Wachsamkeit der Polizei seine großzügige Gastfreundschaft bisweilen mit peinlichen Zwischenfällen wie dem, der sich soeben ereignet habe.
Narren, Betrunkene, deren wunderliche Einfalle man nie vorhersehen könne, ließen sich zu verwegenen und unbegreiflichen Handlungen hinreißen. Gottlob sei der Zwischenfall bedeutungslos. Der Mann werde verfolgt und in Bicêtre eingesperrt werden, falls er geisteskrank sei. Wenn nicht, nun ja, dann werde man ihn hängen! In keinem Fall bestünde Anlass zur Beunruhigung.
Die Moskauer bemerkten schroff, der Mann habe Ungarisch gesprochen. Sie wünschten, seinen Namen zu wissen.
»Gott sei Dank, sie haben ihn nicht erkannt!« dachte Angélique. Nur mit Mühe vermochte sie ihre Nervosität zu unterdrücken. Ihre Umgebung fand die Geschichte höchst amüsant. Doch der Dolch steckte noch immer im Fußboden, eine stumme Drohung, die zu beseitigen sich niemand entschließen konnte.
Schließlich schlängelte sich ein kleiner Page, buntscheckig wie ein Papagei, durch die Menge, und der Dolch verschwand. Es war Aliman, der ihn auf ein Zeichen Angéliques an sich genommen hatte. In entspannter Stimmung setzte sich die Menge von neuem in Bewegung, wie von einem Bann befreit, der sie für Sekunden in seinem Eishauch hatte erstarren

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