Angelique und der Koenig
lassen…
Madame de Sévigné schrieb an ihren Vetter Bussy-Rabutin:
»Freut Euch mit uns: Wir haben heute einen großen Skandal erlebt am französischen Hof. Ich habe gesehen und begriffen, wie sich im Vorzimmer der Könige Kriege entzünden. Vor meinen Augen sah ich die Fackel brennen. Ich bin noch ganz erregt und geradezu stolz. Stellt Euch vor, ein Mann auf einem Pferd ist in Versailles erschienen. Nichts Ungewöhnliches, werdet Ihr sagen. Dieser Mann ist zur großen Galerie heraufgestiegen, die Ihr kennt und in der der König die moskowitische Gesandtschaft empfing. Ihr meint, dass auch das nichts Absonderliches sei? O doch, denn er ist im Galopp heraufgeritten. Was sagt Ihr nun? Dass ich geträumt habe? Keineswegs, fünfhundert Menschen können es bezeugen. Er schleuderte einen Dolch. Nein, ich träume noch immer nicht, und Ihr braucht Euch auch nicht um meine Gesundheit zu sorgen. Der Dolch landete vor den Füßen des Botschafters, und niemand wusste, was damit anfangen. Das war der Augenblick, in dem ich die Kriegsfackel auflodern sah. Der Fuß, der sie löschte, ist gar leicht. Er gehörte Madame du Plessis-Bellière, die Ihr bei mir kennengelernt und der Ihr ein wenig den Hof gemacht habt. Dieser Bericht wird Euch daher doppelt erfreuen. Sie hatte den Einfall, ihrem kleinen Pagen, einem behenden Negerknaben, einen Wink zu geben, und der hat das Ding verschwinden lassen wie ein Zauberkünstler vom Pont-Neuf. Alle Welt atmete auf. Die Friedensgöttin ist wiedergekehrt, einen Lorbeerzweig in der Hand, und wir wandelten in den Park und bewunderten wilde Tiere. Was sagt Ihr zu diesem kleinen Bericht? Madame du Plessis gehört zu jenen Frauen, die den Königen nützlich sind. Ich glaube, der König hat das seit langem begriffen. Umso schlimmer für unsere triumphierende Canto* (* So nannte Madame de Sévigné in ihren Briefen Madame de Montespan)…Aber wir können sicher sein, dass sie sich nicht kampflos entthronen lassen wird. Ich verspreche mir davon noch viel Unterhaltsames in Versailles.«
Angélique war nicht zu der Fahrt nach Fontainebleau geladen worden und deshalb nach Paris zurückgekehrt. Allein in ihrem Schlafzimmer, empfand sie, wie so häufig in letzter Zeit, die Stille ihres schönen Hauses bedrückend. Sie wohnte viel lieber in Versailles; die kurzen Nächte zwischen dem Ende eines Balls und der Frühmesse, in denen man sich im Schoß des riesigen, in flüchtigen Schlummer versunkenen Schlosses geborgen fühlte, hatten ihren eigenen Reiz. Selbst die Stille schien noch von Leidenschaften und Intrigen zu raunen. Man konnte sich als Teil eines Ganzen fühlen. Niemand blieb seinem Schicksal überlassen.
»Seinem traurigen Schicksal«, dachte Angélique, während sie unruhig im Zimmer auf und ab ging. Warum war sie nicht aufgefordert worden, an dem Ausflug nach Fontainebleau teilzunehmen? Fürchtete der König, Madame de Montespans Missfallen zu erregen? Was hatte er mit ihr im Sinn? Auf welchen Schicksalsweg drängte er sie mit fester, tückischer Hand? Welche Zukunft war ihr bestimmt? Mitten im Zimmer blieb sie stehen und sagte laut vor sich hin: »… Der König!«
Ihr Blick fiel auf Rakoskis Dolch auf dem Tisch. Noch vor ihrer Abfahrt hatte sie die Demoisellen de Gilandon unauffällig nach dem Schicksal des Fürsten forschen lassen und zu ihrer Erleichterung erfahren, dass er allen Versuchen zum Trotz, ihn noch im Hofe des Schlosses zu stellen, zum Walde hin entkommen war. Auch die Wachen, die ihn verfolgt hatten, waren unverrichteter Dinge zurückgekehrt.
Wiederum dachte sie an den König, diesmal mit leiser Schadenfreude. Kein Zweifel, als er Rakoski zu diesem Empfang geladen hatte, war es in der Absicht geschehen, Katz und Maus mit ihm zu spielen. Er hatte das Maß der Unterwürfigkeit seiner Sklaven feststellen wollen. Nun wusste er, wie es um die des Fürsten stand. Und um die Lauzuns. Ob Péguillin verhaftet werden würde? Und wo konnte Rakoski Zuflucht finden? Überall würde man ihn an seinem verwegenen kleinen Pferd erkennen, das denen der Hunnen glich, die vor Zeiten vor den Mauern von Paris erschienen waren.
Angélique trat zu ihrem mit Perlmutter ausgelegten Ebenholzsekretär, entnahm einem seiner zahllosen Schubfächer ein Kästchen, öffnete es und legte die Waffe hinein. In diesem Kästchen verwahrte sie ein seltsames Sammelsurium von Gegenständen; einen Schildpattkamm, den Ring, den ihr der Bandit Nicolas geschenkt hatte, den Schmuck aus dem Temple, die Granatkamee, die sie als
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