Angelique und der Koenig
rostige Rapiere fertigmachen. Brauchst nur zu befehlen.«
Angélique schwieg. Der Abendnebel senkte sich auf ihre bloßen Schultern und machte sie frösteln. Ihre Zweifel waren noch nicht restlos beseitigt.
»Bleibt dir nichts andres übrig, Marquise«, flüsterte Barcarole. »Sonst bist du erledigt. Denn sie will den König behalten, und, auf Mortemart-Ehre, wie sie sagt, der Teufel persönlich wird ihr dabei helfen.«
Fünfundvierzigstes Kapitel
Ein paar Tage darauf vereinigte ein Fest die königliche Familie im Park von Versailles. Mit dem Hofstaat Monsieurs war auch Florimond erschienen. Von dem Abbé de Lesdiguières begleitet, näherte er sich seiner Mutter, die sich am Bassin der Latona mit dem König unterhielt. Der Junge benahm sich stets ungezwungen, wenn er den Großen gegenübertrat. Er wusste, dass sein anmutiges, von braunen Locken eingerahmtes Gesichtchen und sein offenes Lächeln jeden für ihn einnahmen. Er machte seine Reverenz vor dem König und küsste seiner Mutter die Hand.
»Da ist ja der Abtrünnige«, sagte der König wohlwollend.
»Seid Ihr zufrieden mit Eurem neuen Amt, mein Junge?«
»Sire, im Hause Monsieurs lebt es sich angenehm, aber ich ziehe Versailles vor.«
»Eure Offenheit rührt mich. Darf man wissen, was Ihr von Versailles am meisten vermisst?«
»Die Gegenwart Eurer Majestät... Und dann die Fontänen, die Wasserkünste.«
Er hatte das Richtige getroffen. Nichts lag Ludwig XIV so sehr am Herzen wie seine Wasserkünste und die Bewunderung, die sie erregten. Mochte sie auch von einem elfjährigen Pagen kommen, die Schmeichelei war ihm angenehm. »Ihr werdet sie eines Tages wiedersehen, ich verbürge mich dafür, wenn Ihr gelernt habt, nicht mehr zu lügen.«
»Zu schweigen, vielleicht«, sagte Florimond beherzt. »Gelogen habe ich nie.«
Angélique und der Abbé, der sich bescheiden im Hintergrund hielt, machten die gleiche beunruhigte Bewegung. Der König betrachtete prüfend das kleine, stolz zu ihm erhobene Gesicht.
»Dieser Junge, der Euch so wenig ähnelt, ist unverkennbar Euer Sohn – er bietet die Stirn, wenn er es für angebracht hält. Von der ganzen Hofgesellschaft schauen nur er und Ihr den König so an.«
»Ich bitte Euer Majestät um Vergebung.«
»Das ist zwecklos. Ihr seid keine Spur zerknirscht, weder was ihn noch was Euch betrifft. Aber, zum Teufel«, fuhr er besorgt fort, »ich weiß nicht mehr, was ich von dieser Geschichte halten soll. Man sagt gewöhnlich, die Wahrheit komme aus dem Mund der Kinder. Warum zweifle ich an diesem hier? Ich muss mir Duchesne vornehmen... und Erkundigungen über ihn einziehen. Er ist mir von Madame de Montespan empfohlen worden, aber das allein genügt wohl nicht, um sich auf einen Menschen verlassen zu können.«
Es war in diesem Augenblick, dass ein Diener dem König kniend einen Korb mit Früchten darbot, rotbäckigen Äpfeln, honigfarbenen Birnen und zartrosa Pfirsichen. Dem Mann konnten die letzten Worte des Königs nicht entgangen sein, aber kein Zug in seinem glatten, ausdruckslosen Lakaiengesicht rührte sich.
Angélique sah ihm nach, während er sich entfernte. Ein leises Gefühl des Unbehagens stieg in ihr auf, dessen Ursache sie sich nicht zu erklären vermochte. Es war, als fiele plötzlich ein leiser Schatten auf die Farbenpracht dieses Frühlingstages. Warum konnte sie nicht unbeschwert wie die andern den Zauber dieser Stunden genießen?
Sie hörte die Stimme des Königs und wandte sich zu ihm. Doch es dauerte lange, bevor sie ihr Unbehagen vergaß.
Der Festtag nahm einen glanzvollen Verlauf. Man war unter sich und freute sich der Dinge, die Auge, Ohr und Magen geboten wurden. Die Lichter waren schon angezündet, der letzte schwache Schein des Tageslichts spiegelte sich in dem zwischen Wiesen eingebetteten Kreuz des großen Kanals, als eine kleine Hand Angéliques Rechte umklammerte.
»Médême! Médême Plessis!«
Sie senkte die Augen und erkannte den Negerknaben Naaman. In seinem Gesicht waren in der Dämmerung nur die rollenden weißen Augen zu sehen.
»Médême! Jemand dein Sohn Florimond slesten Weg geschickt. Er vielleicht sterben!«
Wegen seines Akzents verstand sie anfangs nur Florimonds Namen.
»Florimond? Was ist mit ihm? So rede doch!«
»Komm, Médême! Schnell! Sonst serr slest für ihn.«
Angélique folgte ihm hastig in Richtung des Schlosses. Auf halbem Wege bemerkte sie den Abbé de Lesiguieres. Er lehnte neben einer der großen, mit Geranien bepflanzten Marmorvasen, die die Terrasse säumten, und
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