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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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sie braucht. Die Finanzleute sammeln die öffentlichen Gelder, die zum Unterhalt des Staates dienen. Die Richter gewährleisten durch Anwendung der Gesetze die Sicherheit unter den Menschen. Die Geistlichen lenken, indem sie die Völker in der Religion unterweisen, den Segen des Himmels herab.«
»Und die Armen, Sire? Die Armen, deren es so unsagbar viele gibt…?«
    Die Vision nahm sie von neuem gefangen, löschte die Farben der bezaubernden Szenerie, tilgte das Echo der Pastorale in den Gebüschen…
… Ich bin bis zur Erschöpfung durch den Morast gewatet. Ich habe den Fluss der Unterwelt durchquert, und nachdem ich kraft eines unerklärlichen Wunders ans Ufer der irdischen Herrlichkeiten gelangt bin, erinnere ich mich…
Die Armen, die nicht wissen, wohin sie gehen, noch was sie tun sollen, die Armen, die ihre Not den Kriegen verdanken, die durch Eintreibungen und Ungerechtigkeiten vervielfacht werden – in der Verwandtschaft mit ihnen liegt mein Geheimnis. Sie ist das unsichtbare Siegel, das ich auf der Stirn trage, unter meinen Juwelen. Kann ich je das schauerliche Lachen der Bettler in den Untergründen von Paris vergessen, jenes Lachen, das beängstigender ist als Schluchzen und Klagen, das verzweifelte Gelächter der Armen, das das Feuer des Himmels herablenken wird…?
    Sie schlug die Augen auf und begegnete dem eindringlich auf sie gerichteten Blick des Königs.
»Euer Gesicht!« murmelte er. »Es gibt kein zweites Frauengesicht wie das Eure.«
Er rührte sich nicht, sorgsam darauf bedacht, sich den forschenden Augen des Hofs nicht zu verraten. Und wenn er seine Stimme dämpfte, so klang sie nur um so rührender.
»Woher kommt Ihr? Welchem Ziel strebt Ihr zu, Madame? Was steht alles in Eurem Gesicht geschrieben! Die ganze Schönheit... der ganze Schmerz der Welt!«
    Die Zwerge der Königin vollführten einen Heidenspektakel. Barcarole hatte sie in eine groteske Sarabande hineingerissen, inmitten der über diesen Mummenschanz mehr oder weniger entzückten Hofgesellschaft. Ihr grelles Gekreisch übertönte die Weisen der Violinen.
Der König betrachtete Angélique fasziniert.
»Euch anschauen bedeutet zuweilen Beglückung, zuweilen Kümmernis. Ich sehe Euren Hals, an dem eine zarte Ader pocht. Ich möchte ihn mit meinen Lippen, mit meiner Stirn berühren. Alles in mir sehnt sich nach der Wärme Eurer Gegenwart. Eure Abwesenheit hüllt mich in Einsamkeit wie in einen eisigen Panzer. Ich bedarf Eures Schweigens, Eurer Stimme, Eurer Kraft. Und dennoch möchte ich Euch schwach werden sehen. Ich möchte Euch an mich geschmiegt schlafen sehen, erschöpft von einem zärtlichen Kampf. Und Euch erwachen sehen, neu gekräftigt, mit rosigen Wangen. Ihr errötet leicht, und man hält Euch für verletzbar. Aber Ihr seid härter als der Diamant. Lange Zeit habe ich Eure verborgene Heftigkeit geliebt. Jetzt zittere ich, sie könnte Euch mir eines Tages entreißen... O mein Herz! Meine Seele!«
Angélique lächelte.
»Warum lächelt Ihr?« fragte er.
»Ich musste an den jungen Poeten denken, dem Euer Majestät gewogen ist, Jean Racine. Er pflegt zu sagen, dass er Euch seine besten Eingebungen verdanke, und wenn ich Euch zuhöre, begreife ich es…«
Sie hielt inne, denn Monsieur Duchesne verneigte sich vor ihnen. Drei Mundschenke hielten sich hinter ihm. Sie boten dem König und Angélique in dünnen Porzellanbechern Sorbet an, worauf sie sich unter Bücklingen entfernten.
»Ihr spracht von Racine«, nahm der König das Gespräch wieder auf, »und Ihr habt mir ein artiges Kompliment gemacht. Aber ich glaube, insofern ist etwas Wahres daran, als die Dichter nur Dichter sind, weil sie die Menschen ihrer Zeit und aller Zeiten darzustellen vermögen. Jeder Mensch trägt in sich jenen geschlossenen Kreis der Liebe. Doch wenn man unter nichtswürdigen Kreaturen lebt, ist es besser, ihn ein Leben lang verschlossen zu halten. Für Euch indessen, Angélique, werde ich es vielleicht eines Tages wagen, ihn zu öffnen…«
Ein jäher Schreck ließ ihn innehalten. Der Becher, den Angélique zum Munde führte, schwankte. Das Sorbet ergoss sich über ihr Kleid auf die Erde, das Porzellan zerbrach in tausend Scherben. Der Sieur Barcarole hatte bei einem seiner übermütigen Sprünge die junge Frau angestoßen.
»Der Teufel hole diese Wichte!« rief der König zornig aus. Er griff nach seinem Stock und versetzte dem Ungeschickten ein paar Hiebe über den Rücken. Schreiend machte sich der Kleine aus dem Staube, und die Königin, die

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