Angelique und der Koenig
hat.«
Er entwand sich dem Zugriff des Abbés und war schon unter der Hellebarde durchgeschlüpft, als ihn die Wache im letzten Augenblick derb am Kragen packte.
»Gemach, Bürschchen! Zur Begegnung mit dem Sensenmann kommt man nie zu spät. Beruhige dich, Knirps, und danke der Heiligen Jungfrau und deinem guten Engel.«
Noch völlig außer Atem, erzählte Florimond, was sich ereignet hatte. Er war schon auf dem Wege zu den Küchen gewesen, als er Monseigneur, den Herzog von Anjou, das achtzehn Monate alte dritte Kind des Königs angetroffen hatte. Offenbar war es seinen Ammen entwischt und irrte nun, einen Apfel in der Hand, allein durch das Labyrinth der dunklen Gänge.
Hilfsbereit hatte er den dicken königlichen Spross auf seine Arme genommen und in sein Gehege zurückgebracht. Dann war er von neuem davongestürzt, um seinen Auftrag auszuführen. Angélique nahm ihn auf den Schoß und presste ihn an sich. Zusammenhanglose Gedanken schossen ihr durch den Kopf:
»Wäre auch er, nach Cantor, von mir gegangen, ich hätte es nicht überlebt... Das letzte Band, das mich mit dir verknüpft, Liebster, wäre zerrissen gewesen. Oh, wann kehrst du zurück, um mich zu erlösen…?«
Sie wusste nicht einmal, wem sie sich in den Gründen ihres aufgewühlten Herzens mitteilte. Nie würde sie die trügerisch sanfte Dämmerung dieses Abends in Versailles vergessen, in der sich die kleinen schwarzen Hände eines Sklaven an ihr Kleid geklammert hatten: »Médême, komm. Dein Sohn vielleicht sterben!«
Sie sah sich suchend nach Naaman um. Er war verschwunden. Jetzt, da Messire Florimond gesund und wohlbehalten war, musste er sich wieder zu seiner Herrin verfügen. Gewiss würde er seine Abwesenheit mit ein paar Ohrfeigen von beringter Hand büßen müssen.
Die Magd hatte Wein und Glaser geholt. Angélique zwang sich zu trinken, obwohl ihre Kehle noch immer wie zugeschnürt war.
»Ihr andern, trinkt auch«, sagte sie. »Trinkt, Soldat. Ohne Euch und Euer Feuerzeug wären wir vielleicht alle abgestürzt.«
Der Wächter trank in einem Zug das Glas leer, das sie ihm reichte.
»Ich sage nicht nein«, knurrte er, »denn mich hat’s ganz schön mitgenommen. Aber dass der Steg nicht da ist, begreife ich nicht. Ich muss die Sache meinem Hauptmann melden.«
Angélique drückte ihm und der Magd drei Goldstücke in die Hand, dann kehrte sie, vom Abbé gefolgt, und Florimond fest an der Hand haltend, zu ihrem Appartement zurück, wo sie aufs neue die Kräfte verließen.
»Man hat meinen Sohn umbringen wollen!« Sie wurde diesen Gedanken nicht los.
»Florimond, wer hat dich mit einem Auftrag zum Küchenbau geschickt?«
»Monsieur de Carapert, ein Beamter des königlichen Tafeldienstes. Ich kenne ihn gut.«
Die junge Frau fuhr sich mit der Hand über die feuchte Stirn. Würde sie je die Wahrheit erfahren? Sie hörte im anstoßenden Salon den Abbé mit gedämpfter, verstörter Stimme Malbrant Schwertstreich den Vorfall berichten.
»Hat dich dieser Monsieur de Carapert nicht darauf aufmerksam gemacht, dass der Weg über die Treppe der Diana gefährlich ist?«
»Nein.«
»Er hat es dir bestimmt gesagt, und du hast nur nicht richtig zugehört!«
»Nein, das ist nicht wahr«, protestierte Florimond gekränkt. »Er hat sogar ausdrücklich gesagt: ›Geh über die Treppe der Diana. Du kennst den Weg. Da kommst du am schnellsten zum Küchenbau.‹«
Ob er log, um sich herauszureden? Aber der quälende Gedanke bohrte weiter: Man hatte ihren Sohn umbringen wollen. Der Steg war heimlich beseitigt worden. Welche Erklärung konnte es sonst geben…?
»Was soll ich tun?« fragte sie und sah zu ihrem Stallmeister auf, der leise eingetreten war. Malbrant war immerhin ein gereifter, erfahrener Mann und machte mit seinem weißen Haar einen verlässlichen Eindruck. Seitdem er den Bericht des Abbés gehört hatte, waren seine struppigen Augenbrauen sorgenvoll zusammengezogen.
»Wir müssen nach Saint-Cloud zurückkehren, Madame. Im Hause Monsieurs ist der Kleine sicher.«
»Wer hätte das früher gedacht«, meinte Angélique mit einer müden Handbewegung. »Aber ich glaube, Ihr habt recht.«
»Vor allem darf er nie wieder in die Klauen dieses Duchesne geraten.«
»Ihr glaubt, dass er dahintersteckt?«
»Ich möchte meine Hand dafür ins Feuer legen. Eines Tages komme ich ihm bestimmt auf die Schliche, und dann werde ich ihm gründlich das Handwerk versalzen.«
Florimond begriff allmählich, dass er einem Attentat entgangen war, und war stolz darauf.
»Sicher, weil
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