Angelique und der Koenig
von hoher Tonnage ist nicht in der Lage, vor den raschen algerischen oder marokkanischen Galeeren zu flüchten. Es lässt sich einem von Ameisen angegriffenen Mistkäfer vergleichen. Die Kanonen schießen häufig zu weit, und der Besatzung bleibt nur die Möglichkeit, im Augenblick des Enterns die Oberhand zu gewinnen. Auf solche Weise ist mein Fahrzeug zweimal dank dem Mut der Matrosen der Plünderung entgangen. Natürlich nicht ohne blutige Kämpfe. Der eine spielte sich im Golf von Biscaya ab, der andere vor der Insel Gorea. Die Hälfte der Matrosen wurde getötet oder verwundet. Ich habe es aufgegeben…«
Monsieur Colberts bewegliches Mienenspiel drückte zugleich Bewunderung und Befriedigung aus. Selten hatte man ihm das Problem so klar dargelegt. Der König blieb nachdenklich.
»Es ist also eine Frage der Eskortierung?« sagte er schließlich.
»Genau das. Die Engländer und Holländer sind uns in dieser Hinsicht voraus.«
»Ich schätze diese Leute nicht sonderlich, aber es wäre töricht von uns, nicht das Gute der Methoden unserer Feinde zu übernehmen. Ihr werdet das in die Wege leiten, Colbert. Gemeinsame Abfahrt großer Handelsschiffe, von Kriegsschiffen begleitet…«
Sein Blick streifte Angéliques zweifelnde Miene.
»Passt Euch etwas nicht an diesem Programm, Madame?«
Der ironische Ton war nicht zu überhören. Dem König fiel es sichtlich schwer, auf diesem Gebiet die Lehren einer so hübschen Frau ernst zu nehmen. Angélique verbarg indessen ihre Meinung nicht.
»Monsieur Colbert dürfte sich an gewissen Schwierigkeiten stoßen, Sire. Die Charakteranlagen der Franzosen widerstreben gemeinschaftlichen Reisen. Jeder möchte seine Geschäfte auf eigene Weise betreiben. Die einen werden in einem Augenblick bereit sein, in See zu stechen, in dem den andern das Geld zur Ausrüstung fehlt. Vergeblich haben sich bereits große Reeder bemüht, gemeinsam segelnde Kauffahrteiflotten zu bilden.«
Ludwig XIV beugte sich vor und stütze sich dabei mit der Hand auf die marmorne Tischplatte.
»Diesmal werden sie auf Befehl des Königs handeln«, sagte er. Sein Ton blieb unverändert. Doch Angélique betrachtete diese Hand, die starken Willen und ebensolches Machtbewusstsein verriet. Monsieur Colbert griff nach einem Schriftstück.
»Hier ist eine möglicherweise nicht ganz zuverlässige Mitteilung, Madame. Ich habe mir berichten lassen, dass Ihr vor zwei Jahren, als die militärische Expedition Monsieur de Montevergues nach der Dauphine-Insel in See stach, um deren Schutz für eine Fahrt nach Indien nachgesucht habt.«
»Eure Information entspricht den Tatsachen, Herr Minister, aber es konnte keine Übereinkunft erzielt werden, und ich habe es nicht bedauert.«
»Weshalb nicht?«
»Ich wäre in ein Unternehmen verwickelt worden, dessen Misslingen im voraus feststand.«
Des Königs Gesicht verdüsterte sich.
»Ist Euch nicht bekannt, dass dieses Unternehmen ausdrücklich zu dem Zweck von mir befohlen worden war, die Indische Gesellschaft durch Errichtung eines Stützpunktes auf der Dauphine-Insel zu fördern?«
»Der Gedanke war vorzüglich, Sire, und seine Verwirklichung ist unumgänglich. Aber die Fahrzeuge, die in See stachen, waren in kläglichem Zustand, und die Männer, die sie befehligten, träumten nur von unsinnigen Eroberungen, ohne zu wissen, dass Fort-Dauphine, wo sie landen sollten, kein Eden ist, dass man mindestens achtzig Kilometer ins Innere der Insel vorstoßen muss, um Trinkwasser zu finden, und dass die Eingeborenen äußerst feindselig sind. Kurzum, diese beherzten, aber allzu unbedachten Edelleute haben sich selbst die unglückselige Situation zuzuschreiben, in der sie sich gegenwärtig befinden.«
Des Königs Blick war eisig geworden; angesichts des lastenden Schweigens geriet Angélique in Unruhe. Was hatte sie denn gesagt? Sie hatte der Aufforderung des Königs gemäß in voller Offenheit gesprochen.
»Wie kommt es, Madame«, begann dieser endlich, »dass Ihr über die tatsächlich unglückselige, um nicht zu sagen aussichtslose Lage des Monsieur de Montevergue auf der Dauphine-Insel orientiert seid? Sein erster Offizier ist vor vier Tagen in Bordeaux an Land gegangen. Er meldete sich heute früh in Versailles. Es war ihm aufgetragen worden, keiner Menschenseele Mitteilungen zu machen, bevor er mich gesehen hatte. Ich habe ihn sofort empfangen, und er hat soeben mein Kabinett verlassen.«
»Sire, die erwähnten Schwierigkeiten sind für die Seeleute kein Geheimnis. Im Verlauf der beiden
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