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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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gesagt, ihre Bedürfnisse, wenn gerade keiner ihrer Günstlinge zur Verfügung stand. Als sie unseren jungen König, der damals noch schüchtern war, zum ersten Male sah, fragte sie ihn in Anwesenheit der Königinmutter frank und frei, ob er Mätressen habe. Der Kardinal Mazarin mühte sich, dem Gespräch schnellstens eine andere Wendung zu geben, und das Gesicht des Königs war genauso rot wie die Robe des Kardinals. Heute wäre er nicht so verlegen…«
    Philippe blieb in den ersten Tagen nach der Ankunft in Fontainebleau unsichtbar. Er war mit den Vorbereitungen für die Jagd beschäftigt. Immer wieder erzählte man sich, wie die Bauern von den Raubtieren in Angst und Schrecken gehalten wurden. Sogar aus den Ställen waren Schafe weggeschleppt worden. Ein zehnjähriges Kind hatten sie angefallen und gewürgt. Ein ganz besonders gefährliches Rudel schien von einem mächtigen männlichen Tier geleitet zu werden, »groß wie ein Kalb«, versicherten die Dorfbewohner, die es in der Nähe der Höfe hatten herumstreichen sehen. Seine Verwegenheit war unvorstellbar. Es schnupperte und kratzte eines Abends an den Türen der Hütten, in denen die Kinder sich vor Angst heulend an ihre Mütter drängten. Sobald es dämmerte, verbarrikadierte sich jedermann.
    Die Jagd bekam sofort einen ungestümen und unerbittlichen Charakter. In großer Zahl hatten sich die Bauern mit Mistgabeln und Spießen bewaffnet eingefunden. Sie mischten sich unter die Piqueure und halfen ihnen die Hunde führen. Niemand blieb zurück. Auch die Edelmänner und die Amazonen kannten die Wölfe. Kaum einer, der nicht in seiner Kindheit den gruseligen Erzählungen von ihren Missetaten gelauscht hatte, und es war der gleiche überkommene Hass gegen das blutrünstige Raubtier, diese wahre Geißel des Landes, der Adlige und Bauern in das unwegsame Dickicht trieb. Gegen Abend lagen bereits sechs Kadaver aufgereiht im Schnee. Und noch immer riefen über dem rotbraunen Gezweig der Bäume, den jäh abfallenden schwarzen Hängen, den Plattformen aus bröckelndem Sandstein, den von Eiszapfen gesäumten Vorsprüngen unaufhörlich die Signale der Hörner.
Angélique war auf eine kleine Lichtung gestoßen, einen makellos weißen, wie auf dem Grunde eines moosigen Brunnens von einem steilen Felssturz geschützten Schneefleck. Die Hornrufe hallten hier auf harmonische und eindrucksvolle Weise wider. Sie hielt inne und lauschte, von fernen, melancholisch stimmenden Erinnerungen überkommen. Der Wald! Wie lange war sie nicht mehr im Wald gewesen! Die feuchte, nach fauligem Holz und welkem Laub duftende Luft fegte mit einem Schlag die im lärmenden, übelriechenden Paris verlebten Jahre hinweg, und sie fühlte sich in den Wald von Nieul versetzt, der ihr die ersten Freuden beschert hatte. Ihr Blick glitt über die rostbraun und purpurrot getönten Kronen der Bäume, die der Herbst noch nicht entblättert hatte. Der schmelzende Schnee belebte die Färbung des Laubs und verlieh ihm unter dem streichelnden Licht einer blassen Sonne kostbaren Glanz. Im Dämmerlicht des Unterholzes entdeckte Angélique die roten Perlen eines Stechpalmenstrauchs. Sie erinnerte sich, dass sie in Monteloup um die Weihnachtszeit ganze Arme voll davon gepflückt hatten. Wie lange war das her! Vermochte ein schlichter Stechpalmenzweig Bindeglied zu sein zwischen der heutigen Angélique du Plessis-Bellière und der einstigen Angélique de Sancé?
»Das Leben trennt uns nie von uns selbst«, sagte sie sich freudig erregt, als habe sie ein Glücksversprechen empfangen. Vielleicht war das kindlich empfunden, aber sie hatte sich noch nicht der jungmädchenhaften Regungen begeben, die die Mitgift aller Frauen sind. Ihnen freien Lauf zu lassen, war ein Luxus, den sie sich jetzt leisten konnte.
Sie glitt von Ceres’ Rücken, und nachdem sie den Zügel um einen Nussbaumast geschlungen hatte, lief sie zu dem Stechpalmenstrauch. Zwischen den Utensilien, die sie wie jede vornehme Dame am Gürtel trug, fand sie ein Federmesserchen, mit dem sie mühevoll ein paar Zweige abschnitt. Dabei wurde sie sich nicht bewusst, dass Hörnerschall und Jagdlärm sich allmählich entfernten, wie ihr auch zunächst die Unruhe ihres Pferdes nicht auffiel, das nervös an seinem Zügel zerrte. Sie bemerkte die Erregung des Tieres erst, als Ceres sich mit verängstigtem Wiehern losriss und gestreckten Laufs an ihr vorbeigaloppierte.
»Ceres!« rief Angélique. »Ceres!«
Und sah im gleichen Augenblick, was die Flucht ihrer Stute

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