Angelique und der Koenig
begann sie auf die Lider, auf die Schläfen zu küssen. Dann streiften seine Lippen schmeichelnd Angéliques Mundwinkel. Sie erschauerte. Jäh erwachte ein animalisches Begehren in ihr. Mit ihm verband sich etwas wie eine leicht perverse Neugier bei dem Gedanken, nun durch praktische Erfahrung die Talente des berühmten Don Juan des Hofs kennenlernen zu können. Péguillin war es, der recht hatte. Philippe zählte nicht. Sie wusste, dass sie nicht ewig am Rande würde leben können, allein, in ihren schönen Kleidern, mit ihren kostbaren Juwelen. Sie wollte sich zwischen die andern mischen und es ihnen gleichtun, mitgerissen vom Strom der Intrigen, der Kompromittierungen und Ehebrüche. Es war ein kräftiger, vergifteter und köstlicher Trank. Sie musste aus dem Kelch trinken, um nicht zu verdursten. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Unter den männlich-wollüstigen Liebkosungen fand sie ihre Unbekümmertheit wieder. Und als die Lippen des Marquis de Lauzun sich auf die ihren pressten, erwiderte sie seinen Kuss, zuerst zögernd, dann immer leidenschaftlicher.
Der Schein der Kerzenleuchter und Pechfackeln, die von einer Prozession feierlich einherschreitender Diener gebracht und an den Wänden der Galerie verteilt wurden, veranlasste sie, sich voneinander zu lösen. Angélique konnte kaum begreifen, dass es bereits Nacht geworden war. In nächster Nähe der Nische stellte ein Bedienter einen sechsarmigen Leuchter auf eine Konsole.
»He, Freund«, flüsterte Péguillin, sich über die Armlehne des Ruhebetts beugend, »stell deine Laterne ein bisschen weiter weg.«
»Das kann ich nicht, Monsieur. Ich würde mir den Tadel des Herrn Oberbeleuchters zuziehen, der für diese Galerie verantwortlich ist.«
»Dann blase wenigstens drei Kerzen aus«, erwiderte der Marquis und warf ihm ein Goldstück zu. Er wandte sich wieder zurück und nahm die junge Frau von neuem in die Arme. Das Warten hatte ihrer beider Erregung gesteigert. Angélique stöhnte und biss ungestüm in die moirierte Achseltroddel des blauen Rockes. Péguillin lachte leise.
»Gemach, kleine Wölfin... Ihr sollt zufriedengestellt werden. Aber dies ist ein unruhiger Ort – lasst mich die Sache dirigieren.« Sie gehorchte ihm, keuchend und fügsam. Der goldene Schleier wollüstigen Vergessens senkte sich über ihre Gewissenspein. Sie war nur noch brennender Körper, nach dem einzigen Genuss gierend und des Ortes nicht achtend, an dem sie sich befand, ja nicht einmal des geübten Partners, der sie erschauern machte…
Angélique löste sich von der Schulter, an die sie sich geschmiegt hatte, und zog in einer jähen Bewegung die Spitzen ihres Mieders über der entblößten Brust zusammen. Wenige Schritte entfernt stand, von der erleuchteten Galerie sich silhouettenhaft abhebend, eine regungslose Gestalt. Jeglicher Zweifel verbot sich von selbst: Philippe!
Péguillin de Lauzun verfügte über reiche Erfahrung in derlei Situationen. Rasch ordnete er seine Kleidung, stand auf und verneigte sich.
»Monsieur, nennt mir Eure Sekundanten. Ich stehe zu Eurer Verfügung …«
»Und meine Frau steht jedermann zur Verfügung«, erwiderte Philippe gelassen. »Ich bitte Euch, Marquis, Ihr braucht niemanden zu bemühen.« Er verbeugte sich mindestens ebenso tief wie Péguillin und entfernte sich stolzen Schrittes, den Marquis de Lauzun wie versteinert zurücklassend.
»Zum Teufel!« fluchte Péguillin. »Einem solchen Ehemann bin ich noch nie begegnet.«
Seinen Degen ziehend, sprang er die drei Stufen der Estrade hinunter und stürzte dem Oberjägermeister nach. Er erreichte ihn auf der Schwelle des Saals der Diana, als eben der König, gefolgt von den Damen seiner Familie, aus seinem Kabinett trat.
»Monsieur«, schrie Péguillin mit seiner Trompetenstimme, »Euer verächtliches Verhalten ist eine Beleidigung. Ich werde sie nicht hinnehmen. Euer Degen soll mir dafür einstehen.«
Philippe maß seinen gestikulierenden Rivalen mit einem hochmütig-kühlen Blick.
»Mein Degen gehört dem König, Monsieur. Ich habe mich noch nie für eine Dirne geschlagen.«
Rasend vor Wut brüllte Lauzun:
»Aber ich habe Euch zum Hahnrei gemacht, Monsieur! Und ich verlange, dass Ihr Genugtuung von mir fordert.«
Elftes Kapitel
Völlig benommen richtete sich Angélique in ihrem Bett auf. Es begann eben erst zu tagen. Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihr wirres Haar. Die Kopfhaut tat ihr weh, und ihre Hand war geschwollen. Gedankenlos betrachtete sie die Wunde an ihrem Handgelenk. Und
Weitere Kostenlose Bücher